Gasleck an Nordsee-Bohrinsel: „Absolutes Desaster“ befürchtet
Der Energiekonzern Total sucht weiter nach dem Gasleck an seiner Bohrinsel. Gefahr droht vor allem Lebewesen auf dem Grund der Nordsee, eine Explosion wird befürchtet.
BERLIN taz | Der Energiekonzern Total hat die Ursache für das Leck an der Bohrinsel „Elgin“ in der Nordsee noch immer nicht gefunden. Weiterhin strömen große Mengen Gas und Kondensat aus, die die Umwelt belasten.
Dabei sei vor allem der Austritt von Schwefelwasserstoff kritisch, sagt Jörg Feddern, Ölexperte von Greenpeace. Da die Bohrungen sehr tief gingen – rund fünf Kilometer tief in den Meeresboden – trete das saure Gas aus. „Fakt ist: Wenn ein Organismus da reinkommt, stirbt er ab“, so Feddern.
Auf dem Meer hat sich unterdessen ein rund elf Kilometer langer Film aus Gaskondensat, einer Art Leichtöl, gebildet. Das Unternehmen gibt an, dass bislang zwei bis 20 Tonnen Kondensat entströmt seien. Das sei ein Bruchteil der regulären Menge von 230.000 Barrel, die das Unternehmen täglich fördere.
Die Gas-Austrittsmenge ist nach Angaben des Konzerns nicht bekannt. Der Film sei zwar noch keine tote Zone, so Feddern. Doch die Wirkung sei klimarelevant: „Das entstehende Methan ist 21-mal schädlicher als CO2.“ In dem Feld befinden sich nach Angaben des Konzerns 18 Milliarden Kubikmeter Gas und knapp 150 Millionen Barrel Kondensat.
Gefahrenquelle Gasfackel
Dazu kommt: Die Gasfackel der Plattform brennt auch nach der Unterbrechung des Betriebs. Im Normalfall sei die Fackel dazu da, überschüssiges Erdgas abzubrennen, sagt Jürgen Messner, Geologe an der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover. Momentan wehe der Wind das Erdgas in eine andere Richtung. Doch wenn die Flamme mit Gas in Berührung käme, sei eine Explosion wahrscheinlich, so Messner. „Das wäre ein absolutes Desaster.“
Total erwägt eine Entlastungsbohrung, die jedoch drei bis sechs Monate dauern könne. Auch ein sogenannter „Kill“, bei dem Schlamm in das Leck gestopft wird, sei denkbar. Eine Entscheidung sei aber noch nicht getroffen. Ein günstiges Szenario sei, dass der Gasfluss von allein versiege, hieß es. Doch zu warten, bis das noch vorhandene Erdgas und Kondensat komplett von selbst entwichen sind, hält der Greenpeace-Experte für eine schlechte Idee: „Je weniger ins Meer gelangt, desto besser.“
Am Sonntag hatten Mitarbeiter des Unternehmens das Leck an der Gasplattform 240 Kilometer östlich des schottischen Aberdeen bemerkt. Der Betreiber evakuierte die 238 Arbeiter der Plattform. Die Küstenwache errichtete rund um die Bohrinsel eine Sperrzone für Flugzeuge und Schiffe.
(mit Material von dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Verfassungsrechtler für AfD-Verbot
„Den Staat vor Unterminierung schützen“