Dem Gas-Notfallplan der EU fehlt eine Vielkrisenperspektive. Das Sparen von Energie insgesamt sollte im Vordergrund stehen.
Kohlekraftwerk in Datteln Foto: Rupert Oberhäuser/imago
Die Nachricht kommt passgenau: Die EU-Staaten haben sich auf einen „Notfallplan Gas“ geeinigt – einen Tag bevor Russland am Mittwoch die Gaslieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 noch einmal halbieren will, sodass sie nur noch ein Fünftel ihrer Kapazität transportiert.
Es ist klar: Gas ist knapp und man tut nicht gut daran, sich überhaupt noch auf Lieferungen aus Russland zu verlassen. Folgerichtig wollen die EU-Länder zusammen ihren Gasverbrauch senken, und zwar um 15 Prozent von August bis zum nächsten März. Das hatte die EU-Kommission vorgeschlagen. Nach den Verhandlungen der EU-Energieminister:innen zu dem Vorstoß sind aber wesentliche Punkte abhandengekommen. Zum Beispiel: die Verbindlichkeit. Das Sparen ist erst mal nur freiwillig, wovon aber auch bislang kein Land abgehalten wurde.
Die EU-Kommission hatte als Clou vorgesehen, dass sie selbst im Notfall das Sparen verordnen kann. Dem ist jetzt nicht mehr so. Für den „EU-Alarm“ muss derselbe Ministerrat, der sich heute nicht zu mehr Verbindlichkeit durchringen konnte, das verpflichtende Sparen mit sogenannter qualifizierter Mehrheit beschließen. Zudem haben die Länder, die von vornherein nicht mitsparen wollten, für sich Ausnahmen ausgehandelt. In manchen Fällen haben sie nachvollziehbare Einwände vorgebracht, wenn sie, wie etwa Zypern, gar nicht an das Verbundnetz angeschlossen sind. Andererseits vergrößert auch die Einsparung eines solchen Landes das Gesamtangebot von Gas und könnte somit die herrschenden Mondpreise senken.
Die vielfältigen Ausnahmen schwächen also das Gesamtpaket – oder schieben den anderen Ländern mehr Sparverantwortung zu. Zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass speziell Deutschland am meisten von dem Programm profitiert, während doch das Problem durch das freiwillige Hineinmanövrieren in die massive Abhängigkeit von Russland erst groß wurde. Dass die Bundesrepublik mehr tun muss, ist also durchaus fair.
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Was dem Notfallplan noch fehlt, ist die nötige Vielkrisenperspektive. Ja, Gassparen ist wichtig – aber müsste es nicht eigentlich mehr um das Sparen von Energie insgesamt gehen? Die besonders klimaschädliche Kohle hat sonst statt des Gases wieder Hochkonjunktur. Während eine Hitzewelle die andere jagt, ist es besonders offensichtlich, dass das eigentlich nicht geht – auch wenn es kurzfristig pragmatisch sein mag. Der Fokus auf die Sicherung eines hohen Energieverbrauchs verstellt den Blick darauf, dass zur (Energie-)Sicherheit in erster Linie die radikale Senkung der Treibhausgas-Emissionen gehört.
Jahrgang 1991, leitet das Ressort Wirtschaft + Umwelt und schreibt dort vor allem über die Klimakrise. Hat ansonsten das Online-Magazin klimareporter° mitgegründet.
Viel Lärm um nichts ! Reines Wunschdenken von naiven EU-Gläubigen wie Baerbock und Habeck, die erst noch lernen müssen, dass Deutschland für seine Nachbarn nur noch eine (arrogante!) Nebenrolle spielt. Nicht zuletzt, weil bisher alle Sparabsichten und konsequente Klimaschutzmassnahmen unterlaufen wurden. Warum sollen da die Nachbarn mitmachen, wenn die früher einmal stärkste Wirtschaftmacht in seiner Not die früher einmal abhängigen Staaten zum 'Mitmachen' auffordern will. Nur heisse Luft, solange niemand die Überkapazitätenproduktion um Stillstand zwingt. Solange Lindner & Co ihrer Klientel nicht harte Konsequenzen abverlangen wollen, passiert gar nichts.
Gas-Notfallplan der EU-Staaten: Die vielen Krisen
Dem Gas-Notfallplan der EU fehlt eine Vielkrisenperspektive. Das Sparen von Energie insgesamt sollte im Vordergrund stehen.
Kohlekraftwerk in Datteln Foto: Rupert Oberhäuser/imago
Die Nachricht kommt passgenau: Die EU-Staaten haben sich auf einen „Notfallplan Gas“ geeinigt – einen Tag bevor Russland am Mittwoch die Gaslieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 noch einmal halbieren will, sodass sie nur noch ein Fünftel ihrer Kapazität transportiert.
Es ist klar: Gas ist knapp und man tut nicht gut daran, sich überhaupt noch auf Lieferungen aus Russland zu verlassen. Folgerichtig wollen die EU-Länder zusammen ihren Gasverbrauch senken, und zwar um 15 Prozent von August bis zum nächsten März. Das hatte die EU-Kommission vorgeschlagen. Nach den Verhandlungen der EU-Energieminister:innen zu dem Vorstoß sind aber wesentliche Punkte abhandengekommen. Zum Beispiel: die Verbindlichkeit. Das Sparen ist erst mal nur freiwillig, wovon aber auch bislang kein Land abgehalten wurde.
Die EU-Kommission hatte als Clou vorgesehen, dass sie selbst im Notfall das Sparen verordnen kann. Dem ist jetzt nicht mehr so. Für den „EU-Alarm“ muss derselbe Ministerrat, der sich heute nicht zu mehr Verbindlichkeit durchringen konnte, das verpflichtende Sparen mit sogenannter qualifizierter Mehrheit beschließen. Zudem haben die Länder, die von vornherein nicht mitsparen wollten, für sich Ausnahmen ausgehandelt. In manchen Fällen haben sie nachvollziehbare Einwände vorgebracht, wenn sie, wie etwa Zypern, gar nicht an das Verbundnetz angeschlossen sind. Andererseits vergrößert auch die Einsparung eines solchen Landes das Gesamtangebot von Gas und könnte somit die herrschenden Mondpreise senken.
Die vielfältigen Ausnahmen schwächen also das Gesamtpaket – oder schieben den anderen Ländern mehr Sparverantwortung zu. Zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass speziell Deutschland am meisten von dem Programm profitiert, während doch das Problem durch das freiwillige Hineinmanövrieren in die massive Abhängigkeit von Russland erst groß wurde. Dass die Bundesrepublik mehr tun muss, ist also durchaus fair.
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Was dem Notfallplan noch fehlt, ist die nötige Vielkrisenperspektive. Ja, Gassparen ist wichtig – aber müsste es nicht eigentlich mehr um das Sparen von Energie insgesamt gehen? Die besonders klimaschädliche Kohle hat sonst statt des Gases wieder Hochkonjunktur. Während eine Hitzewelle die andere jagt, ist es besonders offensichtlich, dass das eigentlich nicht geht – auch wenn es kurzfristig pragmatisch sein mag. Der Fokus auf die Sicherung eines hohen Energieverbrauchs verstellt den Blick darauf, dass zur (Energie-)Sicherheit in erster Linie die radikale Senkung der Treibhausgas-Emissionen gehört.
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Kommentar von
Susanne Schwarz
Leiterin wirtschaft+umwelt
Jahrgang 1991, leitet das Ressort Wirtschaft + Umwelt und schreibt dort vor allem über die Klimakrise. Hat ansonsten das Online-Magazin klimareporter° mitgegründet.
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