Gartenbauverbandschef Andreas Jende: „Die Hummel gehört dazu“
Gibt es zu wenig Bienen für die Obstbäume? Die Biodiversität ist deutlich höher, als gemeinhin angenommen, sagt der Experte.
taz: Herr Jende, kennen Sie das: Sie stehen unter einem Kirschbaum voll mit Blüten und hören kein Geräusch?
Andreas Jende: Das habe ich noch nicht erlebt.
In Brandenburg gibt es Obstbäume, wo das so ist. Eigentlich müsste es in den Blüten summen und brummen, aber es herrscht Totenstille.
Ich kann das nicht bestätigen. Nach allem was ich höre, sind die Befruchtungsbedingungen gut.
49, ist Geschäftsführer des Gartenbauverbandes Berlin-Brandenburg. Die Fachgruppe Obstbau vertritt 40 Produzenten, die circa 70 Prozent des Obstanbaus in Brandenburg bestreiten.
Die Insektenbiomasse ist seit 1989 um 80 Prozent zurückgegangen, hat die damalige Umweltministerin Barbara Hendrix (SPD) im Sommer 2017 gesagt. Die Obstbauern in Ihrem Verband spüren das also noch nicht?
Das ist zumindest das, was mir zugetragen wird. In der Region Frankfurt Oder/Markendorf hatten wir drei Jahre ein Projekt mit dem Naturschutzbund. Untersucht wurde die Biodiversität in Obstanlagen. Sie war deutlich höher, als gemeinhin angenommen. Und das nicht nur hinsichtlich Pflanzen-, sondern auch Tierbesatz. Selbst auf intensiv bewirtschafteten Anlagen war das so. So eine große Artenvielfalt hatte man nicht erwartet. Aber die Betriebe tun auch viel dafür, einen größstmöglichen Insektenbesatz zu organisieren.
Wie sieht das aus?
Entweder sind sie selbst Imker oder sie arbeiten mit Wanderimkern zusammen, die Kästen mit Bienenvölkern in die Obstanlagen stellen. Die Ertragsleistung der Bäume lässt sich ja durch zusätzliche Bestäuber verbessern. Viele Betriebe legen auch Blühstreifen, bestehend aus Gräsern und Wildblumen, an. Während der Blüte ist das eine zusätzliche Nahrungsquelle für die Insekten. Die trocknen Stengel dienen den Puppen und Larven später als Überwinterungsmöglichkeit.
Gibt es auch Insektenhotels, also Hölzer mit gebohrten Löchern, die im Garten aufgehängt werden?
Auch das wird gemacht. Für die Wildbienen, die zumeist Erdbewohner sind, sind offene Flächen im Boden aber besser, um ihre Gelege eingraben zu können. Grundsätzlich ist es gut, wenn eine Obstanlage nicht komplett aufgeräumt ist, weil so Rückzugsräume für Insekten entstehen. Steinhaufen oder herumliegendes Schnittholz sind auch gut.
Welche Rolle spielt die Hummel?
Das ist ein Insekt unter vielen. Sie ist Bestäuber, aber kein Honiglieferant.
Über die Hummel wird behauptet, sie sei fauler als die Biene.
Ja, die Hummel braucht höhere Temperaturen. Aber sie gehört genauso zum System dazu, wie die anderen auch.
Welche Obstbäume blühen im Moment?
Pflaume und Kirsche sind im Auslaufen. Der Apfel fängt gerade an, im Süden Brandenburgs ist die Blüte schon weiter. Der Norden hat immer fünf bis sechs Tage Verspätung.
Voriges Jahr gab es am 20. April Frost mit der Folge, dass die Apfelblüten zum großen Teil erfroren sind. Könnte das jetzt auch noch passieren?
Das ist nicht ausgeschlossen. Bis zu den Eisheiligen am 15. Mai ist ja noch etwas Zeit. Aber die Großwetterlage deutet derzeit nicht daraufhin.
Wie groß waren die Umsatzeinbußen 2017 durch den Frost?
Stellenweise hatten wir 60 bis 90 Prozent Ausfall. Nur wenige Betriebe sind vom Frost verschont geblieben. Es gab Gärten ohne einen einzigen Apfel.Dementsprechend haben sich die Preise entwickelt. Die, die keine Äpfel hatten, mussten mächtig Federn lassen.
Sind Betriebe daran kaputt gegangen?
Das Land Brandenburg hat sich bereit erklärt, eine Hilfszahlung zu leisten. Die erfolgt gerade in diesen Tagen. Insofern wissen wir noch nicht, ob Betriebe kaputtgegangen sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit