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Garchinger ForschungsreaktorNoch sieben Jahre Waffen-Uran

Der Forschungsreaktor FRM II in München soll weiter mit atombomben-tauglichem Uran betrieben werden. Forscher und Politiker kritisieren das Vorgehen.

Soll weiterhin mit radioaktivem Waffen-Uran betrieben werden: Der Forschungsreaktor in Garching. Bild: ap

Die Proteste gegen den Betrieb des Forschungsreaktors FRM II in Garching bei München werden lauter. Bürgerinitiativen und Wissenschaftler fordern den Entzug der Betriebsgenehmigung, sollte sich die Betreiberin, die Technische Universität München (TUM), nicht an die Verpflichtung halten, bis 2010 kein Waffen-Uran mehr einzusetzen und statt dessen das atombomben-untaugliche leicht angereicherte Uran zu verwenden.

Von den 40 Kilogramm hochangereichertem Uran, die jährlich in Garching verwendet werden, ist nur die Hälfte notwendig, um eine Atombombe des Typs Hiroshima zu bauen. Daher ist dieser radioaktive Stoff seit den 1980ern weltweit geächtet. Die TUM und das Bundesministerium für Bildung und Forschung gaben vor kurzem bekannt, dass eine Umstellung des Garchinger Reaktors nicht möglich sei und dass man bis mindestens 2016 weiter mit dem Waffen-Uran arbeiten wolle. Dann könne man möglicherweise auf einen noch zu entwickelnden Brennstoff umstellen, der "nur" zu 50 Prozent angereichertes Uran enthalte.

Renommierte Wissenschaftler kritisieren nicht nur dieses halbherzige Ziel, sondern widerlegen auch die Einschätzung des Ministeriums und der TUM. So verweist Professor Klaus Buchner, Atomphysiker und langjähriger Dozent an der Fakultät für Mathematik der TUM, auf Berechnungen des staatlichen "Argonne National Laboratory", im US-Bundesstaat Illinois, das am Bau vieler Forschungszentren beteiligt war: "Mit kleinen Einbußen an der Neutronen-Flussdichte wäre die Umstellung möglich."

Wilfried Krull, langjähriger Leiter des bereits 1988 umgerüsteten Forschungsreaktors FRG 1 der GKSS in Geesthacht, Schleswig-Holstein, kritisiert, dass schon der Bau des Münchener Forschungsreaktors internationale Bemühungen für eine atomwaffenfreie Welt torpediert habe: "Hier wurde das völkerrechtlich wesentlich hochwertigere Gut, die Verbreitung von atomwaffenfähigem Uran zu reduzieren, dem viel geringwertigerem Gut geopfert, billiger mit dem Kopf durch die Wand einen Forschungsreaktor zu bauen."

Angeblich waren es die Mehrkosten von umgerechnet 20 Millionen Euro für den Bau und 3,5 Millionen Euro jährlich für den Betrieb, die damals dagegen sprachen, einen Reaktor zu bauen, der mit dem relativ unbedenklichen leicht angereichertem Uran betrieben wird.

Der politische Sonderweg, den Bayern damals gegen heftige nationale und internationale Proteste einschlug, konnte sich aber finanziell gar nicht rechnen. So kostet die Entwicklung des neuen Brennstoffes Bund und Land seit 2003 jährlich zwei Millionen Euro - mit ungewissen Erfolgschancen. Eine Umrüstung des Reaktors würde auch bei einem positiven Ergebnis erforderlich.

Wilfried Krull weist außerdem auf die Entsorgung der ständig anfallenden radioaktiven Abfälle hin: "Die verbrauchten Brennelemente enthalten noch zu 80 Prozent angereichertes Uran. Sie müssen also ewig gegen unbefugte Zugriffe gesichert werden. Das sind langfristig extrem hohe Kosten."

Auch einige Politiker bezweifeln, dass in Garching tatsächlich ernsthaft nach einer Lösung gesucht wird, ohne Waffen-Uran auszukommen. Der Münchener Bundestagsabgeordnete Axel Berg (SPD) bat nun sogar den US-Präsidenten um Hilfe. In einem Brief an Barack Obama appellierte er an das Streben nach einer atomwaffenfreien Welt.

Bis 2018, so ein anerkannter US-Wissenschaftler, werden alle Forschungsreaktoren Europas und der USA auf den Betrieb mit leicht angereichertem Uran umgestellt sein. Ob dann in Bayern die einzige gefährliche Ausnahme steht, werden das Bundesforschungsministerium und die bayerische Staatsregierung in den nächsten Monaten zu entscheiden haben.

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5 Kommentare

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  • M
    Milan

    Wenn Regierungen ...

     

    ... sich vor solch wichtigen und obendrein einfachen Bekenntnissen gegen Atomwaffen drücken, dann sollte man sich fragen, wo der Rest der Glühwürmchen verbaut *ähm* gelagert wird.

  • J
    Jop

    Woher bekommt denn der Forschungsreaktor seine Brennelemente?

    Waffenfähig heißt ja nicht, dass es aus Waffen kommt.

    Ansonsten muss dieses Uran wie jedes andere angereichert werden. Demzufolge würden für diesen Reaktor die kritisierten Brennelemente extra hergestellt werden.

    Gerade ein Forschungsreaktor sollte da Alternativen nicht scheuen!

  • FM
    Filip Moritz

    Bleibt ja gar nichts anderes übrig als die Unmengen Atomwaffen in Reaktoren zu verbrennen. Leider impliziert das auch die Wiederaufbereitung. Aber das Zeug irgendwo zu verbuddeln so wie es ist wäre absolut daneben.

     

    Ob nun ausgerechent der Reaktor in Garching und dessen Betreiber die Richtigen für den Job sind?

     

    Dennoch klingt die Kritik hier sehr nach "think local, act global", typisch Bayern eben.

  • U
    Unbequemer

    Was soll denn der Streß?!? Warum sollen wir das waffenfähige Uran nicht in der Forschung einsetzen? Weil es waffenfähig ist? In Garching wird keine A-Bombe gebaut. Insofern ist das eine Prinzipienreiterei. Zudem: Vom Ausland brauchen wir uns zweimal nicht sagen lassen, ob das genehm ist, oder nicht. Wir bauen keine Bombe - aus mit der Diskussion.

  • LH
    Leon Hartner

    Was ist jetzt eigentlich das Problem (mal von dem Abfall abgesehen - der aber auch bei anderen Reaktoren anfällt)? Wenn der Reaktor mit waffenfähigem Uran arbeitet (es also zu einem anderen Produkt zerfällt) und derweil noch Energie frei wird, sieht das in meinen Augen fast positiv aus - man müsste halt die Lager für das Uran gut bewachen... Aber insgesamt weniger waffenfähiges Material auf der Welt ist besser denn mehr (meiner meinung nach)