Ganztagsschulen: Schule schmeißt Schüler raus
Sechs gebundene Ganztagsschulen wollen zurück zum Vormittagsunterricht. Jetzt streiten Eltern, Pädagogen und Politiker, ob die Lehrer zu unflexibel sind oder mehr von ihnen gebraucht werden.
Vier Jahre nach ihrer Einführung geraten die ersten gebundenen Ganztagsschulen aus dem Rhythmus. Sechs Schulen, an denen die Schüler den ganzen Tag abwechselnd mit Mathe, Basteln, Deutsch und Turnen beschäftigt sind, wollen zum festen Unterrichtsblock am Vormittag zurückzukehren. An der Grundschule am Hollerbusch in Marzahn und an der Kronach-Grundschule in Lichterfelde haben die Schulkonferenzen aus Eltern, Lehrern und Erziehern entsprechende Beschlüsse bereits gefasst. Nach Redaktionsschluss trafen sich am Montagabend erstmals Elternvertreter von fünf gebundenen Schulen und berieten über das weitere Vorgehen. "Unser gemeinsamer Nenner ist, dass es zu wenige Lehrer und Erzieher für die Umsetzung der Schulprogramme gibt", sagt Elternvertreter Ingo Drogi von der Hollerbusch-Grundschule.
Während offene Ganztagsschulen nachmittags eine freiwillige Betreuung für Hortkinder anbieten, gehen Kinder an den 64 gebundenen regulär bis 16 Uhr zur Schule. Ziel der Ganztagsoffensive des Senats war es 2003, ein Gesamtkonzept von Bildung, Erziehung und Förderung zu ermöglichen. Damit sollten vor allem Kinder aus sozial benachteiligten Elternhäusern besser erreicht werden.
Die Marzahner Integrationsschule war eine der ersten, die als gebundene Ganztagsschule Unterricht und Freizeit verzahnt hat. Doch seit diesem Schuljahr haben an der Hollerbusch-Schule zwei Klassen keine eigene Erzieherin mehr. "Deshalb muss zum Beispiel der Schwimmunterricht für die 1. und 2. Klassen ausfallen", so Drogi. Die monatlichen Projekttage wurden auf zwei pro Jahr reduziert.
Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) reagierte auf die Klagen von Eltern und Lehrern und sandte einen siebenköpfigen Trupp, der die Stundenpläne durchforstete. Dieser empfahl, den Unterricht noch stärker zu rhythmisieren. "Die Ausstattung in den gebundenen Ganztagsgrundschulen ist so, dass es vielen Schulen gelingt, Bildung und Betreuung in einem kindgerechten Wechsel zu organisieren", sagt Zöllners Sprecher Kenneth Frisse.
Diese Auffassung vertritt auch der oberste Elternvertreter, André Schindler vom Landeselternausschuss. "Aber Lehrer und Erzieher arbeiten oft gegeneinander und nicht miteinander", so Schindler. Doch auch er ist der Meinung, dass grundsätzlich mehr Lehrer und Erzieher gebraucht würden. "Gebundene Ganztagsschulen mit ihren anspruchsvollen Programmen müssen besser ausgestattet sein als normale", sagte er.
"Was der Senat fordert, ist kein Rhythmus, das ist Taktung", kritisiert dagegen der Vorsitzende des Verbandes der Ganztagsschulen, Mario Dobe. Dabei würden die Erzieherinnen so eingesetzt, dass der Dienstplan funktioniere - und nicht nach den Bedürfnissen der Kinder. Gerade Schulen, die nicht in sozialen Brennpunkten lägen, hätten Probleme, weil sie weniger Personal zugeteilt bekommen. Zusätzliche Lehrer und Erzieher, etwa für Sprachförderung, erhalten Schulen nur dann, wenn sie mehr als 40 Prozent Kinder nichtdeutscher Herkunft oder behinderte Schüler unterrichten. Diese können dann so eingesetzt werden, dass die Betreuung aller Schüler gesichert ist. Dobe leitet eine gebundene Ganztagsgrundschule in einem sozialen Brennpunkt. "Doch auch wir mussten Abstriche machen und Arbeitsgemeinschaften reduzieren", so Dobe.
Im Hause des Bildungssenators wurde nun kürzlich eine Arbeitsgruppe "Hort" einberufen. Sie prüft, ob genügend Erzieher, Lehrer und Räume an den Schulen vorhanden und wie diese ausgelastet sind. Ergebnisse liegen noch nicht vor.
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