Ganzheitliche Unternehmensberatung

■ Der anthroposophische „Beraterverbund für Gegenwartsfragen und Organisationsentwicklung“ empfiehlt Belegschaften neue Betriebskonzepte

Künstlerische Einlagen bereichern manche Tagung, zumindest wenn ein anspruchsvolles Programm den geselligen Teil am Abend veredeln soll. Selber zu singen oder zu malen, geziemt sich dagegen auf einer Tagung in der Regel nicht.

Bei den Unternehmerseminaren von Sagres-Services spielt Kunst eine andere Rolle. Hier gibt es nicht nur Konzerte zwischen den Vorträgen, hier malen die TeilnehmerInnen oder bewegen sich eurythmisch. Es gilt zu erkennen, wie das gemeinsame Handeln in der Gruppe funktioniert. So soll es dann schließlich auch in der Firma gemeinsam besser laufen.

Seit sieben Jahren bietet Klaus Fischer, Organisationsberater aus Heidelberg, die Sagres-Seminare an. Auf größere Gruppen – vor allem AusbilderInnen – sind die Angebote zur Berufsbildung zugeschnitten. Kleiner und persönlicher ist der Kreis in themenbezogenen Seminaren.

Wesentlicher Schritt zur Umsetzung von Verbesserungen sind Organisations-Entwicklungs-Programme für Firmen. Betriebe mit einem Dutzend KollegeInnen, aber auch ganze Abteilungen aus großen Unternehmen werden beraten und betreut, von Sagres wie von anderen Mitgliedern des anthroposophisch orientierten Beraterverbundes für Gegenwartsfragen und Organisationsentwicklung (BGO), der seit neunzehn Jahren existiert.

An der künstlerischen Betätigung einer Gruppe läßt sich vieles ablesen: KollegInnen und der Berater können daraus schließen, was sich normalerweise am Arbeitsplatz abspielt. Das Malen eines gemeinsamen Bildes bringt es an den Tag. „So wie sie sich gegenseitig malten – oder übermalten, so gingen sie miteinander um“, hat Fischer immer wieder erlebt. Auch die Situation von Menschen, die arbeitslos werden, läßt sich künstlerisch übermitteln, meint Fischer.

Der anthroposophische Entwicklungsgedanke, welcher der Arbeit des BGO zugrundeliegt, werde nicht propagiert. „Anthroposophie als Wort fällt meist gar nicht“, sagt Fischer. Manche der anthroposophischen Konzepte für eine veränderte Wirtschaftsethik stehen gleichwohl im Hintergrund der Seminare. Dazu gehört das Ideal einer Assoziation zwischen Produzent, Händler und Verbraucher. Dies zu verwirklichen, sei eher „Zukunftsmusik“, glaubt Fischer, „die durchschnittlichen Unternehmen haben kein offenes Ohr dafür.“ Sagres hat allerdings schon erfolgreich angeregt, daß man sich stärker an Kunden und Zulieferern orientiere und sogar Kontakt mit den KonkurrentInnen aufnehme.

Thorsten Hartmann aus Bexbach (Saar), ein Kollege Fischers aus dem BGO, betont, daß die Beschäftigten durch die schrittweisen Entwicklungsprogramme mehr über die Betriebsstruktur und die Produkte ihrer Arbeit lernen. „Die Gruppen im Betrieb bekommen Kenntnisse, die vorher nur Angehörige höherer Hierarchien haben.“

Wie andere Umstrukturierungen stoßen auch die anthroposophisch angehauchten nicht nur auf Zustimmung. „Ein Drittel zieht aktiv mit, ein Drittel macht mit, ein Drittel ist dagegen“, beschreibt Fischer das typische Verhalten in den Belegschaften. „Letztlich werden dann die Arbeitsplätze differenziert – je nach Fähigkeiten und der Bereitschaft, sich den Veränderungen anzuschließen.“

Am weitesten sind anthroposophische Konzepte bei Firmen verwirklicht, die dieser Geisteshaltung verbunden sind. Bei Weleda in Schwäbisch Gmünd können die MitarbeiterInnen schon seit Jahrzehnten während der Arbeitszeit Eurythmie-Übungen einlegen. Die ungewöhnliche Betätigung findet sich 1993 unter den Beispielen, die der Berufsverband und die World Health Organization als vorbildlich festhielten. „Wir zeichnen ganzheitliche, umfassende Gesundheitsförderung im Betrieb aus“, berichtet Hildegard Demmer vom Berufsverband der Betriebskrankenkassen. „Es geht darum, daß die Firmen nicht nur Kurse anbieten, sondern auch gesunde Arbeitsbedingungen schaffen. Wir verlangen auch, daß die Beschäftigten an den Programmen beteiligt werden.“

Die Firmen, die von BGO- Mitgliedern beraten werden, sind sehr verschieden. Vom Einzelfall hängt es ab, wie weit und wie dauerhaft die Veränderungen ausfallen. „Die große Mehrheit der Unternehmen honoriert die Mitwirkung an der Umstrukturierung auch finanziell“, berichtet Thorsten Hartmann. „Allein mit einer Arbeitsplatzgarantie kann man die Leute meist nicht hinhalten.“ Auch die Fehlzeiten verminderten sich, das sei „ziemlich deutlich zu sehen.“

Die langfristig angelegte Arbeit der Unternehmensberatungen ist allerdings nicht ganz konjunkturunabhängig. „Bei Krisen werden viele Unternehmen nervös und greifen lieber zu konventionellen Maßnahmen“, bedauert Hartmann. Matthias Fink