: Ganz vertraulich
Von unserer Kontext-Redaktion↓
Der Investigativsatiriker Jan Böhmermann veröffentlicht NSU-Akten. Das gemeinnützige Portal „Frag den Staat“ hilft mit. Es schreibt, wenn Behörden nicht antworten wollen. Es klagt, wenn sie es partout nicht wollen. Und es recherchiert sogar, wenn das Recht auf Information am Ende ist. So kommt Verborgenes ans Licht, so entsteht Öffentlichkeit. Und das gilt nicht nur bei den Schlapphüten des Verfassungsschutzes, sondern auch bei den Dunkelmännern der Wirtschaft.
„Wie der reichste Deutsche Heilbronn umkrempelt“ lautet der Titel, unter dem „Frag den Staat“ einen weiteren Report vorstellt. Die Rede ist von Lidl-Gründer Dieter Schwarz, der die Stadt zu seinem Campus macht, als verlängerte Werkbank seiner Kaufläden sozusagen, und unter Ausschluss der Öffentlichkeit. (Nachzulesen unter https://fragdenstaat.de)
Aber warum machen das ein Satiriker und ein spendenfinanziertes Projekt? Warum nicht die Verlegerpresse? Vor dem Hintergrund dieser Fragestellung sei auf einen Abend des DGB und der Diözese Rottenburg hingewiesen. Beide sorgen sich um jene, deren Job es wäre, sich um Obiges zu kümmern. Fazit der Veranstaltung mit dem Titel „Zeitung in der Krise – warum die Demokratie starke Medien braucht“: Sie tun es nicht. Sie flanieren lieber auf dem Boulevard, schauen dem Publikum auf den Bauchnabel, optimieren auf Teufel komm raus ihre Klickzahlen, und sagen, dies sei die Zukunft der Zeitung.
Für unseren freien Mitarbeiter Peter Dietrich, ein Kollege alter Schule, eine fremde Welt. Er war dort und hat eine Chefredakteurin aus dem Stuttgarter Pressehaus erlebt, die seltsam entrückt erschien. Auf die Frage, was denn Qualitätsjournalismus sei, wirkte Swantje Dake auf ihn, „als habe sie beim besten Willen die Frage nicht verstanden“, schreibt er. Vierte Gewalt, öffentlicher Auftrag, das sind hier keine Kategorien mehr. Der DGB denkt an eine zweite Veranstaltung, bei der auch Kontext mit dabei sein könnte.
Und damit zurück zu Lidl. Seit 2010 bastelt Dieter Schwarz an seinem „Bildungscampus“, genauer gesagt die Dieter Schwarz Stiftung. Die wiederum ist keine Stiftung im klassischen Sinne, also mit staatlicher Aufsicht, sondern eine gemeinnützige GmbH. Sie schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe: steuerliche Vorteile und Intransparenz.
Entsprechend cool wird reagiert. Man veröffentliche „generell keine Zahlen“, heißt es, und verweist auf Stuttgarter Ministerien, die ihrerseits betonen, dass die Stiftung Wert darauf lege, dass die „Details ihrer Tätigkeit vertraulich behandelt“ werden. Und sollte noch jemand auf die Idee kommen, Auskunft via Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG) erhalten zu wollen, wird gerne darauf abgehoben, dass der Wohltäter sein Interesse an Vertraulichkeit „glaubhaft“ begründet habe. Diese Antwort wiederum kann Monate dauern. Soviel Zeit haben Dake & Co. nicht.
Kontext demnächst im neuen Kleid
Der Countdown läuft. Wenn Sie am nächsten Samstag erstmals die neue Wochentaz in den Händen halten, wird auch Kontext anders aussehen. Ok, haben wir gedacht, taz goes Wochenzeitung, dann wollen wir uns auch mal etwas frischer machen: Ein neues Layout muss her.
Und weil wir wissen, dass es so eine Sache ist mit geliebten Gewohnheiten, wollen wir unsere Leser:innen jetzt schon vorbereiten: Nicht erschrecken, Leute, wir sind’s, auch wenn wir nächste Woche ein wenig anders aussehen. Und zur Beruhigung: An den Inhalten wird sich nichts ändern. Wir berichten weiterhin mit Sinn und Verstand aus Baden-Württemberg, das für teures Marketing-Geld den albernen Namen „The Länd“ trägt.
Warum wir uns ein Re-Design gegönnt haben, warum es so und nicht anders geworden ist, darüber sprechen wir in der kommenden Ausgabe mit Andreas Uebele. Der renommierte Grafikdesigner aus Stuttgart hat mit seinem Büro die Neugestaltung unserer vier Printseiten in der Wochentaz übernommen. Kleiner Cliffhänger: Warum es keine Schönheit ohne Zerstörung geben kann – das erfahren Sie nächste Woche.
Und wenn wir jetzt Ingo Zamperoni wären, würden wir sagen: Bleiben Sie zuversichtlich. Wir sehen uns nächste Woche wieder.
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