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Ganz primitive Kunst, beteuert der Regisseur

■ Moskauer Gerüchteküche mit Schuss: Mestetschkins Pusch(k)in-Collage am Monsun Theater

Eigentlich ist es doch leicht verständlich: Einfache Bühne heißt auch wirklich einfache Bühne. Nur ist „einfach“ ja nicht zu verwechseln mit schlicht, simpel oder gar pädagogisch aufbereitet wie die Sesamstraße. Dem Regisseur der Einfachen Bühne Hamburg, Evgeni Mestetschkin, haben es auch in seinem neuen Stück die russischen Literaten des 19. Jahrhunderts angetan. In der Textcollage Pusch(k)in, die jetzt am Monsun Theater präsentiert wird, kommen natürlich neben Puschkin selbst noch Dostojewski, Tolstoi und andere zu Wort. Allerdings geht es nur teilweise um deren Werke. Evgeni Mes-tetschkin hat es vielmehr auf Anekdoten abgesehen, die zwar besonders im Moskau der 70er Jahre kursierten, aber auch noch heute weit verbreitet sind.

In Russland haben die großen Schriftsteller schließlich „etwas Göttliches, etwas Absolutes“, erzählt der Regisseur. Aber sie haben eben auch ihre Macken, so wie jeder gute Bekannte. Zwar steht nicht fest, wer diese Anekdoten in Umlauf gebracht hat. Klar ist jedoch, dass sie ausschließlich um die seltsamen Eigenschaften der Autoren kreisen. Und wenn man mal ganz ehrlich ist: Das Interesse an Gerüchten und Legenden oder zur Not auch wahren Begebenheiten aus dem Leben eines Menschen nimmt ja nicht gerade ab, wenn es sich bei diesem um einen Vertreter der Prominenz handelt.

Wie reißerische Schlagzeilen sind manche Szenen angekündigt: „Literat überfällt Rentnerin“ oder „Autorin meuchelt Liebhaber“. An anderer Stelle gehen Mestetschkins drei SchauspielerInnen Gogols speziellem Interesse nach. Der zog sich nämlich angeblich mit Vorliebe exakt wie Puschkin an – besonders dann, wenn er Puschkin besuchte. Allerdings liegt es dem Regisseur fern, die Zuschauer an der Hand durch jede Szene zu führen. Wenn er von „Abendlektüre für Fortgeschrittene“ spricht, ist es für ihn nur natürlich, dass lediglich die ganz Belesenen genau wissen, um welchen Text es sich gerade dreht. Doch da Pusch(k)in nicht als geballte Bildungslektüre daherkommt, steht der individuellen Interpretation programmatisch nichts im Wege.

Wie schon an Das schreckliche Zittern von Gelee, präsentiert in der vergangenen Spielzeit, ist die Grundidee von Mestetschkin und seiner Form des Theaters der ständige Auf- und Abbau von Bildern und Sehgewohnheiten. Bei Pusch(k)in wird also aus Anekdoten und Romanen keine runde, literarisch-biographische Geschichte erzählt. Sie dienen eher als Hintergrund, vor dem die einzelnen Szenen der Zerlegung anheim fallen. So will Mestetschkin dem Bedienen von Klischees vorbeugen und die Gerüchte nicht als Gerüchte stehen lassen.

Doch was ist daran nun einfach? Mestetschkin betrachtet mit seiner Einfachen Bühne Theater „als ganz primitive Kunst“. Die Losung: Reduktion. Erzählt wird durch das Spiel allein, kein überbordendes Bühnenbild soll davon ablenken. „Verzichten, worauf man verzichten kann“, beschreibt der Regisseur seine Arbeit. Auch wenn mehrfach das Stichwort „Improvisation“ fällt, versichert er: „Pusch(k)in ist kein avantgardistisches Blim-Blum!“ Stattdessen hält das mit Ironie gepickte Stück einiges an Erkenntnissen über russische Literatur und Funktionsweisen von Theater bereit. Liv Heidbüchel

Premiere: heute, 20 Uhr; weitere Vorstellungen: 17.-19. August, jeweils 20 Uhr, Monsun Theater

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