: Ganz nah am Gekröse
■ Ein Themenabend will uns die Jagd schmackhaft machen (So., 20.45 Uhr, arte)
In aller Früh hat sich der Autor Pim Richter dem Jäger an die Fersen geheftet, um dessen Tagwerk zu dokumentieren. Der sieht mit Vollbart und Nickelbrille eher wie ein braver Bürgerrechtler aus und nicht wie einer, der den Rehen schon morgens gern im Gekröse wühlt. „Kitz ist in der Pfanne am besten“, sagt er und wirft dem hechelnden Hund einen Brocken Milz ins Maul. Später sehen wir den Jäger, wie er seinem erdigen Schwabenweibe das tote Reh darbringt, und dem Kinde eine frühe Ahnung vom Tod. Und niemand ist da, der fragt: „Who killed Bambi“? Auch später nicht, als das Kitz längst gutgewürztes Gulasch ist, und sich die Kamera vor lauter Vorfreude am Wildbret weidet. Da sitzt der Autor längst mit am Tisch und stürzt den blutroten Burgunder – neben sich den Waidmann, der selbst im Unterhemd noch weiß, was schmeckt: „Kitz ist doch das Beste.“
Auch in Halle 18 herrscht allgemeines Halali. Auf der Jägermesse schauen rotwangige Männer kritisch in die Läufe der Gewehre und bestaunen drollige Wolpertinger. Doch noch bevor es peinlich werden kann (und es wird auf Jagdmessen sehr schnell peinlich), schwenkt die Kamera wieder aufs freie Feld, wo sich zünftige Männergruppen in Kniebund und Loden einen blasen. Mit dem Horn versteht sich: Schmissig wehen die Fanfarenstöße über die Schorfheide, wo schon Hermann Göring und Erich Honnecker auf die Pirsch gingen – wie der Pressetext ein wenig stolz vermerkt.
Darin steht noch mehr: Der Zuschauer solle sich abseits der „abgedeckten Fernsehpfade“ ein objektives Bild vom Jagdwesen machen, sich nicht irreführen lassen von „sensationsheischenden Reportagen“, sich nicht reinreden lassen von hysterischen Tierfreunden. Damit aber das eigene Urteil nicht gar zu schwer fällt, verteilte die Redaktion noch kleine Daumenkinos, in denen lustige Häschen Karotten aus dem Halfter ziehen. Hattu Knarre, muttu schießen.
Auch der zweite Film des Abends, „Bunny Allen – Don Juan in Afrika“, ist so euphemistisch, wie sein Titel verspricht. Denn Bunny war einer, der schon in den 50ern wilde Elefanten auf Clark Gable hetzte – indem er ihnen einfach in den dicken Kopf schoß. Nach Drehschluß verlegte Bunny seinen Jagdinstinkt in die Unterhose und stellte Ava Gardner nach, deren damaliger Mann Frank Sinatra natürlich nicht gut auf Bunny zu sprechen war. Ein Teufelskerl also, den die Frauen sogar noch liebten, als er schon längst mit Rheuma auf der Veranda lag und den farbigen „boy“ nach dem Handy schickte.
Da ist die Rehabilitierung des Berufstands Jäger längst gescheitert. Und endlich darf man sich auf den sehenswerten Teil des Abends freuen. So zeigt arte zum Schluß des Wald- und Wiesenschwerpunkts noch einmal Jean Renoirs bitterbösen Film „Die Spielregel“, über den François Truffaut schrieb: „Die Personen von ,La règle du jeu‘ sind lächerliche Skelette ... dies ist ein tief pessimistischer Film, ein bitteres und prophetisches Massaker-Spiel.“ Dem ist auch hinsichtlich des nicht-fiktionalen Teils der arte-Veranstaltung wenig hinzuzufügen. Oliver Gehrs
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