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Archiv-Artikel

Gangster, Komplizenschaften und Phrasendrescherei Wie die Parteien sich und die BürgerInnen im Wahlkampf beschimpfen

Wäre es nicht ein so sinnloses Unterfangen, dann ließe sich verzweifeln am Ton und der Flut von Presseerklärungen, die die Berliner Parteien in vielen Fällen täglich in die Redaktionen schicken. Sinnlos ist es zum einen, weil Journalisten natürlich von solchen vorgefertigten Aussagen profitieren, weil sie diese nicht mehr selbst einholen müssen. Sinnlos ist es aber auch, weil die Meinungsmaschine so nicht angehalten wird. Zu Wahlkampfzeiten ist es traditionell am schlimmsten. Das zeigt ein Blick auf ausgewählte Presseerklärungen der vergangenen Tage.

Der FDP-Fraktionschef Martin Lindner etwa ist sich nicht zu fein, persönlich die PDS als ausgebuffte Verbrecher zu entlarven. Zur Absicht der Sozialisten, sich in „Die Linkspartei“ umzubenennen, ließ sich Lindner gestern in einer Presseerklärung unter anderem mit den folgenden Worten zitieren: „Für ehrbare Menschen und Institutionen schaffen Namen Identität, Unverwechselbarkeit und Marke. Bei Gangstern ist das anders. Sie wollen durch ständigen Namenswechsel Herkunft, Komplizenschaft und Absicht verschleiern.“ Das lässt viele Fragen offen. Zum Beispiel: Was soll „Marke schaffen“ bedeuten? Wer in aller Welt weiß nicht, dass die PDS vor 15 Jahren noch SED hieß? Wie hält es der „ehrbare Mensch“ Martin Lindner aus, regelmäßig neben „Gangstern“ im Abgeordnetenhaus zu sitzen?

Die wichtigste Frage aber lautet: Warum stehen solche verbalen „Armutszeugnisse“ (FDP-Presseerklärung vom 31. 5.) so selten in den Zeitungen? Die Antwort ist ganz einfach. Die FDP ist eine kleine Oppositionspartei, die ständig gegen mangelnde Präsenz in der Öffentlichkeit ankämpfen muss. Je geringer der Einfluss, desto größer und gröber die „Phrasendrescherei“ (FDP, 30. 5.).

In Sachen Law-and-order-Geschwätz lässt sich jedoch einer nicht einfach so rechts überholen: der CDU-Politiker Kurt Wansner. Der Kreuzberger Abgeordnete findet es laut einer Pressemitteilung vom Donnerstag „unerträglich“, dass die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Cornelia Reinauer (PDS), und der dortige Stadtrat Franz Schulz (Bündnis 90/Grüne) ehemalige BewohnerInnen des Wohnprojekts in der Yorckstraße 59 im Künstlerhaus Bethanien dulden.

Für Wansners Ablehnung ließen sich womöglich gute Gründe finden. Doch er sucht sie nicht, sondern lässt seinen Bauch sprechen: „Sie gewähren Kriminellen (…) Unterschlupf. Die vagabundierenden, zerstörerischen Kräfte haben nach der Räumung der Yorckstraße 59 mit Reinauer und Schulz Fürsprecher gefunden, die lieber Chaoten als Arbeitslosen, die es leider massenhaft in Kreuzberg gibt, eine Perspektive geben.“ Und wer „Kriminellen“ „Unterschlupf“ bietet, macht sich der „Komplizenschaft“ schuldig. Damit wären wir wieder bei Martin Lindner.

Die muffige Räuber-und-Gendarm-Rhetorik aus Frontstadt-Zeiten werden FDP und CDU auch künftig an die Redaktionen verschicken. Deshalb werden die hiesigen Parteien auch in den kommenden Monaten ihr „niederträchtiges Doppelspiel“ (CDU) treiben, um ihre „Bankrotterklärung“ (CDU) trotz „Gefahr in Verzug“ (CDU) mittels „Blendwerk“ (FDP) und „Krokodilstränen“ (CDU) zu verschleiern. „Dies ist pure Heuchelei und hat mit verantwortungsvoller Politik nichts zu tun“ (CDU).

MATTHIAS LOHRE