: Gandhi säubert seine Partei
■ Ausschluß von Dissidenten aus Kongreß–Partei / Unliebsame „Kampagne gegen Korruption und für mehr innerparteiliche Demokratie“ / Bofors–Schmiergeldskandal gießt Öl ins Feuer der Kritiker
Aus Madras Biggi Wolff
Als am Donnerstag die Stimmen der mehr als viertausend Abgeordneten des indischen Zentralparlaments und der 25 Bundesstaatsparlamente ausgezählt wurden, überraschte einzig die Tatsache, daß auch einige Oppositionsabgeordnete den Kandidaten der regierenden Kongreß–Partei gewählt hatten. Erwartungsgemäß gewann Ramaswamy Venka Taraman, derzeit noch Vizepräsident im Parlament von Neu Delhi, überlegen das Rennen gegen seinen Rivalen und Kandidaten der Opposition, Krishna Iyer. Doch nicht der Wahlausgang, sondern innerparteiliche Kämpfe der Kongreß–Partei machen in diesen Tagen Schlagzeilen. Kaum hatten die Abgeordneten am Montag ihre Stimmzettel abgegeben, da verkündete die Kongreß–Führung den Parteiausschluß von drei altgedienten Abgeordneten wegen „parteischädi gender Aktivitäten“. Die drei Kongreß–Senioren hatten sich durch die Ankündigung einer „Kampagne gegen Kommunalismus und Korruption und für mehr innerparteiliche Demokratie“, die baldige Wahlen für die verschiedenen Parteiposten miteinschließen sollte, gegen die Führung der Kongreß–Partei profiliert. Prominentester Repräsentant der Unruhestifter in den eigenen Reihen ist Vishranath Pratab Singh, der sich als Finanzminister durch seine rigiden Steuerrazzien bei Indiens Großindustriellen unbeliebt gemacht hatte. Im Frühjahr war er von Premierminister Rajiv Gandhi ins Verteidigungsministerium umgesetzt worden, aus dem er aber bald aufgrund heftiger Attacken gegen sein eigenmächtiges Handeln „freiwillig“ ausschied. Um Singh hat sich seitdem eine starke Kongreß–Dissidenten– Fraktion geschart, die - durch das mit seiner Person verbundene saubere Image - große Popularität in der Bevölkerung genießt. Die innerparteiliche Opposition erhielt in den vergangenen Monaten viel Munition für ihre Kritik. Da lieferten der aufgedeckte Schmiergeldskandal im Zusammenhang mit der schwedischen Rüstungsfirma Bofors, die Deponierung von „schwarzem Geld“ in Millionenhöhe in der Schweiz durch Rajiv Gandhi nahestehende Personen und verlorene Wahlen der Kongreß–Partei in zahlreichen Bundesstaaten reichlich Ansatzpunkte. Daß Singh selbst vom Parteiauschluß verschont blieb, hat nach Ansicht politischer Beobachter zwei Gründe: zum einen erhofft die Parteiführung dadurch eine Spaltung der Dissidentengruppe, zum anderen fürchtet sie wegen Singhs Popularität negative Reaktionen in der Bevölkerung und eine weitere Stärkung der Kritiker. Pressemeldungen zufolge hat Singh jedoch von sich aus seinen Austritt angeboten und damit den Ball an Rajiv Gandhi zurückgegeben. In seinem Schreiben an den Premierminister heißt es: „Jeder Kongreß–Abgeordnete kann ohne besonderen Grund und ohne daß er vorher auch nur angehört wird, politisch gehenkt werden. Die Todesurteile ergingen ohne Vorwarnung und wurden den Betroffenen erst durch die Presse bekannt gemacht.“ Anstatt gegen die Kräfte des Kommunalismus und der Korruption vorzugehen, verfolge man diejenigen, die dagegen kämpfen. Trotz allem werde er, Singh, „als loyaler Kongreßmann weiterhin die Trikolore und den Geist der Kongreß–Partei hochhalten“. Unwahrscheinlich ist, daß mit dem Ausschluß der Abgeordneten Ruhe in die Reihen der Partei einkehrt. Trotz der jetzt erwartungsgemäß verlaufenen Präsidentschaftswahlen ist das Lager derjenigen, die auf eine Alternative zur stark angeschlagenen und mit zunehmend autokratischen Methoden regierenden Parteiführung warten, gewachsen.
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