Galaktischer Besucher: Du bist nicht allein
Für ein paar Tage bekommen wir sozusagen einen zweiten Mond. Über ein Phänomen, das uns zum Träumen anregt.
Diesen Sonntag bekommt die Erde einen Besucher. Sein Name ist „2024 PT5“ – benannt nach dem Zeitpunkt im August, als Forscher:innen ihn in Südafrika am Himmel entdeckten. Denn der Gast ist ein galaktischer, ein Asteroid. Bis Ende November wird er unseren Planeten in einer hufeisenförmigen Bahn umkreisen, bevor er sich weiter auf den Weg Richtung Sonne macht.
So ein Felsbrocken wie 2024 PT5 ist ein seltenes Phänomen. Die meisten Asteroiden fliegen an der Erde vorbei. Oder sie kommen mit ihr in Berührung. Dann hinterlassen sie entweder Krater auf der Oberfläche oder helle Kratzer am Himmel. Umfliegt ein Weltraumbrocken unsere Planeten Erde jedoch, wird er zu einem Minimond, der wie sein großer Bruder jede Nacht erneut über unsere Träume wacht – und uns zum Träumen anregt. Denn wer hat unserem schummrigen Gefährten namens Mond nicht schon alles ein Lied gewidmet: Sting, Feist, Janis Joplin, Radiohead.
Vermutlich handelt es sich beim kleinen Bruder des großen Mondes um einen ausgebüxten Arjuna-Asteroiden, die in einer ähnlichen Bahn wie die Erde die Sonne umlaufen. Diese Asteroiden fliegen so langsam, dass die Schwerkraft der Erde sie kurzzeitig einfangen kann. Manche Forscher:innen glauben aber auch, dass 2024 PT5 ein abgebrochenes Stück unseres großen Mondes sein könnte. Also quasi ein abenteuerlustiger Sohn im Teenageralter, der nur kurz zum Essen und Schlafen nach Hause kommt.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Etwa zehn Meter Durchmesser hat 2024 PT5, mit bloßem Auge oder Amateurferngläsern werden wir ihn von der Erde aus nicht erkennen können. Seit seiner Entdeckung richten sich aber auch viele große Teleskope auf den kleinen Trabanten. Und nicht unbedingt nur die von Forscher:innen und Weltraumfans, die das Ereignis bestaunen und mehr über unsere Galaxie verstehen möchten – auch die Industrie hat den Minimond ins Visier genommen. Denn während 2024 PT5 unbedarft um uns kreist, schmieden die Mitglieder der Space-Mining-Industrie am Erdboden schon Pläne, wie sie ihn ausplündern und zu Geld machen können.
Was sieht der Asteroid beim nächsten Besuch?
„Jedes Mal, wenn von Asteroidenbergbau die Rede ist, geht es um Minimonde“, erklärte die Astrophysikerin Federica Spoto der New York Times. Private Tech-Start-ups wie AstroForge, Karman+ und TransAstra erhoffen sich, bald Seltene Erden, Gold und sogar Titan auf Minimonden und Asteroiden abbauen zu können. Spaceshuttles sollen die Himmelskörper anfliegen und die wertvollen Rohstoffe schürfen. Das kosmische Metall soll dann für unsere Smartphones und Plasmafernseher verwendet werden. Die Firmen präsentieren ihr Vorhaben als „Lösung“ für die Rohstoffknappheit auf der Erde. Statt die vorhandenen Ressourcen zu schonen und umzudenken, werden die Ausbeutungsfantasien nun außerirdisch.
Forschende haben berechnet, dass 2024 PT5 uns im Jahr 2055 erneut umfliegen könnte. Was sieht der Asterorid beim nächsten Mal, wenn er uns besuchen kommt? Einen blauen Planeten? Oder einen überschwemmten, überhitzten, verwüsteten Himmelskörper, den die Menschen mit ihrem ungebremsten Rohstoffhunger weiter zerfurcht haben?
Oder sieht er Raketen aufsteigen, die sich auf ihn zubewegen? Fliegende Weltraumraupen und -bagger, die die Oberfläche des Asteroiden abschaben und ihn so industriell nutzbar machen. Nimm dich in Acht, kleiner Mond!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies