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Gaertner äußerst knapp gewählt

■ Rätselraten um zehn „Abweichler“ unter den 61 Abgeordneten der Ampel-Fraktionen

Mit tosendem Beifall quittierte die CDU-Opposition im Bremer Landesparlament gestern Nachmittag die Wahl von Irmgard Gaertner (SPD) in den Senat: Nur 51 Stimmen von 61 anwesenden Ampel-Abgeordneten hatte sie in der geheimen Abstimmung bekommen. 44 ParlamentarierInnen stimmten mit Nein, obgleich die Opposition nur 37 VertreterInnen im Saal hatte.

Gleich nach der Bekanntgabe dieses Stimmergebnisses gingen auf den Fluren die Spekulationen los, wo die „Heckenschützen“ diesmal sitzen würden. „Es tut mir leid um Frau Gaertner“, meinte SPD-Fraktionsvorsitzender Dittbrenner, „es hätten mehr sein müssen“. Nachdem bei dem 51-Stimmen-Ergebnis für den Umweltsenator Fücks im Sommer 1993 die Abweichler bei der SPD vermutet worden waren, hatte die SPD-Fraktion diesmal eine Probe-Abstimmung in Kabinen und geheim durchgeführt. Nur zwei hätten dabei zum Ausdruck gebracht, daß sie gegen Gaertner stimmen würden, betonte Dittbrenner, „die SPD ist sauber in diesem Verfahren“. Die Gegenstimmen? „Wir sind es nicht“.

Martin Thomas von den Grünen erklärte, noch am Vormittag hätten sich Fraktionssprecher Mützelburg und Parlamentspräsidentin Bernbacher, die ursprünglich nicht für Gaertner stimmen wollten, durch ein Gespräch mit dem Bürgermeister umstimmen lassen. Nur von Walter Ruffler wird gesagt, er habe gegen Gaertner stimmen wollen. Für Thomas ist klar, daß es bei den zehn Stimmen gegen Gaertner im Grunde um einen „harten Kern von Ampel-Gegnern“ in der Koalition selbst gehe. Bei den Grünen seien die sieben restlichen fehlenden Stimmen nicht zu finden, da die Grünen offen mit der Frage umgegangen seien.

Dasselbe sagt von sich die FDP. Fraktionschef Welke hatte auch in seiner offiziellen Rede die Kritik an dem Sozialressort nicht unter den Teppich gekehrt, dann allerdings festgestellt, die FDP habe schon 1991 begrüßt, daß für das Sozialressort jemand von auswärts gefunden wurde. Dies habe sich bewährt. In der internen Diskussion der FDP sei auf niemanden Druck ausgeübt worden, er gehe also davon aus, daß für niemanden Grund bestehe, geheim anders abzustimmen als angekündigt. Der Abgeordnete Adamietz erklärte, gerade nach dem Niedersachsen-Ergebnis könne niemand der FDP unterstellen, sie wolle raus aus der Koalition, um in der Opposition neben der CDU an Boden zu gewinnen.

Dies allerdings wird ihr in SPD-Kreisen nachgesagt. Der Abgordneter Horst Isola sprach das am deutlichsten aus: „Panikstimmung“ herrsche in der FDP, sie sehe ihre Zukunft nicht mehr in der Ampel. Für Isola muß die FDP klären, wieweit sie „noch mitmachen will“, bei der SPD dagegen sieht er zunehmende Ampel-Stabilität.

Die Parlamentsdebatte hatte die CDU eröffnet. Der Fraktionsvorsitzende Kudella hatte Irmgard Gaertner vorgeworfen, daß ihr Ressort immer wieder mit neuen Haushaltslöchern aufkreuze, daß sie aber nichts gegen den Mißbrauch bei der Sozialhilfe tue. Beim Kita-Ausbauprogramm würden immer noch 3.000 Plätze fehlen, weil sie die Absenkung der Standards beim Bau von Kita-Plätzen nicht durchsetze. Vor allem hatte der CDU-Fraktionschef aber darauf insistiert, daß man Verfassungsrechtsfragen „nicht auf die leichte Schulter“ nehmen könne wie die SPD das getan habe.

Die CDU hatte dem Verfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob bei Gaertners Wahl in den Senat im März 1992 die Wahlvoraussetzungen vorgelegen haben. Das Bremer Verfassungsgericht hatte dies verneint und die Wahl für ungültig erklärt. K.W.

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