Gadaffis Truppen auf dem Vormarsch: Rebellen in Misrata zurückgedrängt
Die Truppen Gadaffis dringen bis ins Zentrum Misratas vor. Einer seiner Söhne weist Vorwürfe über Gewalt gegen Zivilisten zurück. Der britische Premier Cameron schließt eine Invasion aus.
BERLIN dpa/afp | Die Truppen des libyschen Machthabers Muammar al Gaddafi sind nach tagelangen Kämpfen bis ins Zentrum Misratas vorgedrungen. Sie hätten dabei schwere Waffen eingesetzt und würden von Scharfschützen unterstützt, berichteten Einwohner und ein Aktivist. Mindestens 17 Menschen seien allein am Sonntag getötet worden.
Der Aktivist Rida al Montasser sagte über den Internetdienst Skype, in einem Krankenhausbericht sei die Zahl von 17 Toten und 74 Verletzten genannt worden. Ein Mitarbeiter einer Nichtregierungsorganisation, der nach eigenen Angaben das Krankenhaus am Sonntag besuchte, bestätigte die Zahlen. Unter den Toten sei ein Mädchen mit einem Kopfschuss. Unter den Verletzten seien mehrere Kinder. Der Mitarbeiter einer ausländischen Nichtregierungsorganisation wollte aus Sicherheitsgründen seinen Namen nicht genannt wissen. Montasser sagte, bis in die späte Nacht seien Explosionen in Misrata zu hören gewesen.
Trotz wachsender Probleme bleibt eine "Invasion oder eine Besetzung" Libyens nach Worten des britischen Premierministers David Cameron weiterhin ausgeschlossen. Cameron sagte am Sonntag dem britischen Sender Sky News: "Wir sind uns im Klaren darüber, das wir zu den Bedingungen der Resolution des UN-Sicherheitsrates stehen müssen, wir müssen die Unterstützung der arabischen Welt behalten." Er räumte allerdings ein, dass die Bedingung, keine Bodentruppen einzusetzen, den Einsatz erschwere.
Die Nato-Luftangriffe auf Ziele des Regimes hätten geholfen, Massaker zu verhindern. Die Opposition habe um ein stärkeres Eingreifen gebeten. Die Alliierten müssten nun überprüfen, wie Zivilisten noch besser geschützt und Gaddafis "Kriegsmaschine" gestoppt werden könnten, sagte Cameron.
Einsatz von Streubomben?
In Tripolis wies Regierungssprecher Mussa Ibrahim am Sonntag erneut Vorwürfe zurück, Gaddafis Truppen hätten in Misrata international geächtete Streubomben eingesetzt. Er warf der Nato vor, mit Luftangriffen Partei für die Rebellen ergriffen zu haben. In deren Reihen befänden sich auch Kämpfer des Terrornetzwerks Al Kaida, sagte Ibrahim.
Auch ein Sohn von Libyens Machthaber Muammar el Gaddafi hat Vorwürfe über Gewalt gegen regierungskritische Demonstranten und Zivilisten zurückgewiesen. "Wir haben keine Verbrechen gegen unser Volk begangen", sagte Seif el Islam der Zeitung Washington Post in einem Interview, das am Sonntag veröffentlicht wurde. Berichte, wonach Sicherheitskräfte zu Beginn der Unruhen im Februar auf Demonstranten geschossen hätten, verglich er mit den Vorwürfen vor Beginn des Irakkriegs, wonach der damalige irakischen Diktator Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen besaß.
"Massenvernichtungswaffen, Massenvernichtungswaffen, Massenvernichtungswaffen - und schon wird der Irak angegriffen", sagte Seif el Islam. "Zivilisten, Zivilisten, Zivilisten - und schon wird Libyen angegriffen." Die Behauptung der USA, Saddam Hussein habe Massenvernichtungswaffen besessen, hatte sich nach dem Einmarsch im Irak 2003 als falsch herausgestellt.
Seif el Islam wies auch Berichte der Vereinten Nationen, von Ärzten, ausländischen Journalisten und Menschenrechtlern zurück, wonach in der umkämpften Hafenstadt Zivilisten von Gaddafi-Soldaten getötet wurden. "Das ist nicht passiert. Das wird nie passieren." Die USA sollten Libyen bei der Bekämpfung des Terrornetzwerks El Kaida unterstützen. Sobald die "Terroristen" in Misrata und der Rebellenhochburg Bengasi besiegt seien, werde die Macht seines Vaters in einer neuen Verfassung beschränkt.
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