: GUS-Offiziere: Wir bleiben zusammen!
■ 5.000 Offiziere der Ex-Sowjetunion versammelten sich im Kreml/ Militär als Stabilitätsfaktor/ Zerteilung der Schwarzmeerflotte soll verhindert werden/ Demos für eine sowjetische Einheit
Moskau (dpa/ap) — Der höchste Offizier in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) hat gestern auf einer Versammlung von 5.000 Offizieren im Kreml einen Plan für die Reorganisation des Militärs vorgelegt. Jewgeni Schaposchnikow, amtierender Kommandeur der GUS- Streitkräfte, richtete auch Vorwürfe an die Adresse der Politiker, die nicht in der Lage seien, in ausreichendem Maße für die Soldaten zu sorgen. „Die Ereignisse haben ein Stadium erreicht, jenseits dessen Konfrontation, Chaos und eine nationale oder sogar globale Tragödie lauern“, sagte der Marschall. „Das zu verhindern, ist unsere patriotische und militärische Pflicht.“ Das Militär bleibe „ein Faktor, der gemeinsame Interessen aller Staaten der Gemeinschaft schützt, das letzte Hindernis auf dem Wege des zerstörerischen Prozesses des Zerfalls, der wichtigste Faktor der inneren und internationalen Stabilität“.
In einer teilweise erregten Debatte appellierten die versammelten Militärs an die Präsidenten der elf GUS-Staaten, einen Zerfall der Streitkräfte nicht zuzulassen. Am Abend zuvor war ein Treffen der Staatschefs in Moskau zu Ende gegangen, auf dem sich nur sieben Republiken für die Beibehaltung vereinigter Streitkräfte ausgesprochen hatten. Die Versammlung wurde von einer Demonstration auf dem Roten Platz begleitet, auf der die Offiziere unter anderem aufgefordert wurden, die Macht im Lande zu übernehmen.
Schaposchnikow schloß einen Militärputsch der ehemaligen Sowjetarmee aus. Solche Befürchtungen seien „unbegründet und sozial gefährlich“, sagte Schaposchnikow. „Ich als Oberkommandierender werde niemals zulassen, daß die Streitkräfte gegen das Volk eingesetzt werden.“ Schaposchnikow unterstrich noch einmal, daß für die Anpassung der Streitkräfte an die neuen politischen Bedingungen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten etwa drei Jahre benötigt würden.
Im Foyer des Kongreßpalastes brachten viele Offiziere ihre Unzufriedenheit mit der politischen Lage zum Ausdruck: „Wenn die Politiker unsere Probleme nicht lösen, werden wir die Probleme der Politiker lösen“, hieß es. Hunderte von Anhängern der alten Sowjetunion forderten am Grab des Unbekannten Soldaten an der Kremlmauer die Wiederherstellung der Einheit der Armee und der Sowjetunion.
An der Debatte beteiligten sich vor allem Militärführer und Kommandeure aus den „heißen“ Punkten des Landes. Der Oberkommandierende der umstrittenen Schwarzmeerflotte, Admiral Igor Kasatonow, wehrte sich erneut gegen die Zerteilung der Armee und insbesondere der Schwarzmeerflotte. Die Flotte müsse ein nicht abtrennbarer Bestandteil der vereinigten GUS- Streitkräfte bleiben. Kasatonow warf dem ukrainischen Präsidenten Leonid Krawtschuk Wahltäuschung vor. Er habe auf Wahlveranstaltungen beteuert, die Ukraine benötige keine Flotte. Jetzt behaupte er das Gegenteil. Kommandeure des kaukasischen Wehrkreises sagten, sie würden keine Waffen an die kaukasischen Staaten abgeben.
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