GESUNDHEITSMINISTERIN SCHMIDT BLIEB VIEL SAGEND NICHTS SAGEND: Granithartes Zuckerlächeln
Langsam wird es ernst. Ein noch so schönes Perma-Lächeln steht auch einer Gesundheitsministerin nicht lange zu Gesicht. Irgendwann muss sie auch mal ein Konzept ihrer Politik sehen lassen. Wer gestern dachte, Ulla Schmidt präsentiere dem Bundestag eine konkrete Anwort auf die Frage: wohin in der Gesundheitspolitik?, wurde enttäuscht. Die Ministerin knipste ihr Strahlelächeln an und sagte dieselben verschwommenen Sätze wie vor vier Wochen, als sie vereidigt wurde. Wörter wie Verständnis, Verantwortung und Vertrauen klingen gut, sagen aber irgendwie doch ziemlich wenig. Oder hat die magere Botschaft in den vergangenen Wochen doch unbemerkt an Kontur gewonnen?
Die Union jedenfalls scheint hinter dem Dauerlächeln der Gesundheitsministerin eine Strategie zu erblicken, der sie sich nicht entziehen mag. Ungemein sanft begrüßte der alte Fuchs der Gesundheitspolitik, Horst Seehofer, die Neue im Amt. Pflichtgemäß machte er ein bisschen die Gesundheitspolitik der vergangenen zwei Jahre mies, nannte die Ausgabenbegrenzungen falsch und sprach auch von einem „gesundheitspolitischen Offenbarungseid“. Doch weh tat er Schmidt nicht wirklich. Nicht nur weil die bei allem, was er sagte, so schön lächelte und auch oft nickte. Messerscharf hat Seehofer erkannt, dass hinter der Freundlichkeit der Wunsch nach seiner Führung wartet. Ulla Schmidt will in der Gesundheitspolitik nicht einen Schritt ohne die Union wagen. Das ehrt und stärkt den dienstältesten Gesundheitsfachmann des Parlaments. Und es gibt die programmatische Richtung an.
Das Gesundheitssystem ist angeschlagen, die Mittel sind zu knapp. Ein Weg wäre, dass mehr Menschen in die gesetzliche Krankenversicherung einzahlen müssen. Doch wird es nicht dazu kommen, dass die Beitragsbemessungsgrenze für die Versicherungspflicht erhöht würde. Es mag sein, dass einige Grüne noch an diese erweiterte Solidarität glauben, so wie Monika Knoche, die diese Idee gestern erneut tapfer im Parlament verteidigte. Aber mit der Union sind solche Überlegungen vollkommen unmöglich. Ulla Schmidt wird weiter verfolgen, was bei der Rente bereits vorexerziert wurde: mehr Eigenbeteiligung, weniger alte Sicherheit. Zwischen den Zeilen lässt sich diese Absicht deutlich lesen. Auch wenn sie es noch etwas umständlich ausdrückt und so sperrige Sätze formuliert wie: Die Solidarität wird durch eigene Verantwortung erfüllt.
Solche Sätze klingen harmlos, grenzen aber in Zukunft aus. Diese Botschaft hinter dem Zuckerlächeln haben Horst Seehofer und die Jungs von der Oppositionsbank wohl verstanden.
ANNETTE ROGALLA
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