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GERÄUSCH IM HINTERHOF

■ „Nachtklänge“ in der Winscheidtstraße 18

Wieder so ein Ort, der sich öffentlich durch die Veranstaltungsreihe „Stadtmusik“ erschließt, zum Beispiel das Gewerbegebäude, das irgendwann mit weißen und grünen strukturgebenden Klinkern versehen wurde, die heute besser erhalten sind als der sie umgebende, abbröckelnde Putz.

Das dort ansässige „Studio Zue“ hatte darauf aufmerksam gemacht, und mit wenig Aufwand war der Besitzer bereit, den Hof zur Verfügung zu stellen.

Heraus gekommen ist am vergangenen Sonntagabend ein Ort für elektronische Musik, in dem die Akustik stimmt und der doch Platz genug läßt, mit der Musik in den Himmel zu schweifen. Sei es bei der „Ballmusik“ von Martin Supper, dem es gelingt, metallische Tischtennisbälle auf der Platte zur Ruhe zu bringen, ohne daß man davon genervt wird. Oder das Glockengeläute, das zum Auftakt von „Die Blindman“ (Berry Truax) nicht in die Kirche ruft, sondern vielmehr zum Türenschlagen führt, verhackstückt durch Sätze wie „No one has ever heart“, der in seine Einzelteile zerlegt, zergliedert und neu entworfen einen Rhythmus findet.

Das schönste und irrealste Werk dieses Abends im Hinterhof, in dem so gut wie nichts auf die Anwesenheit von Meer und Ozean deutet, war allerdings die „Wassermusik“ von Gealn Martin, der einen überfällt mit dem Sturmgebrüll der windgepeitschten Nordsee, in der nur ein einziges Mal eine Möve kreischt, ansonsten aber die wohlige Sicherheit überwiegt, wenn man gut verpackt am Strand steht, Salz von den verkrusteten Lippen leckt und sich in Bewunderung der rasenden Elemente ergeht. Der Witz folgt auf dem Fuß. Denn den Geräuschen ist zu entnehmen, daß dieser Sturm im Wasserglas stattfand beziehungsweise in der heimischen Badewannne, die sich gerade noch zu ersten Schnorchelversuchen eignet. Und wenn der Stöpsel herausgezogen wird, gurgelt es noch einmal und man weiß, daß Elektronik durchaus zu Einbildung reizt im Hinterhof der Steinwüste.

Qpferdach

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