GEHT’S NOCH?: Er braucht Polizei
Jan Böhmermanns Bullenschunkler „Ich hab Polizei“ ist dümmlich und feige. Aber das ist leider noch nicht alles
Um Jan Böhmermanns Haftbefehl-Parodie POL1Z1STENS0HN unlustig zu finden, muss man nicht unbedingt mal in einer Wohnung über arttypisch testosteronüberschüssigen Jungbullen gewohnt haben. Aber es hilft.
Man kann dann auch den die Causa eigentlich erschöpfend behandelnden Text von taz-Autor Juri Sternburg (bei hate-mag.com) ergänzen. Sternburg schrieb, dass Böhmermann den „Soundtrack für die feuchtfröhlichen Bullenpartys der nahen Zukunft“ geliefert habe.
Doch schon als ich in einer etwas länger zurückliegenden Vergangenheit das Unvergnügen hatte, über einem Jungpolizisten im höheren Dienst zu wohnen, war es immer die Frage, wann das feucht- und pulverfröhliche Gegröle der 48-Stunden-Wochenendballermanns ins gemeingefährliche Geballere abdriften würde. „Thorsten, Melanie und Thomas“ (POL1Z1STENS0HN) haben schließlich eine Waffe – und „Polizei darf das“!
Aber natürlich hat Sternburg recht: Würde ich heute über den verbeamteten Assis wohnen, müsste ich Böhmermanns durchaus eingängiges Liedchen in Dauerschleife ertragen. Besonders innig würden dabei die sogenannten polizeikritischen Textpassagen rausgehauen werden. Denn eben weil sie von einem wie Jan Böhmermann kommen, sehen sich die halbakademischen Freunde und Helfer ja darin bestärkt, dass das ja nun wohl voll lustig sei, wenn sie Beine brechen, Leute abknallen und zusammentreten – und wenn das jemand anders sieht und sich beschwert, „glauben alle Polizei“.
Der Journalist Owen Jones schreibt in seinem Buch „Prolls“, dass man sich unter britischen Intellektuellen über keine Minderheit mehr lustig machen kann, ohne die soziale Ächtung zu kritisieren – außer über die deformierten Reste der einst organisierten weißen Arbeiterklasse. Im Land der Griechenhasser und Abgasbetrüger macht Arbeit immer noch humorfrei. Wer nicht dazugehört, sind die integrationsresistenten „Isch“-Sager. Wo der angelsächsische Humor eine Klasse abwertet, geht der Böhermann’sche in Richtung Rasse – das wird man wohl so sagen müssen. Ambros Waibel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen