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GASTKOMMENTARESchwarz-Grün im Sandkasten

■ Die Parteien hören die Signale aus der Gesellschaft nicht

Die Wähler in Baden-Württemberg, viele Umweltverbände und Bürgerinitiativen, die Junge Union und alle jungen Abgeordneten der neuen CDU-Fraktion verlangen eine schwarz- grüne Koalition in Stuttgart. In vier Jahren kluger, vor allem ökologischer Oppositionspolitik haben die Grünen sich diese für das Parteiensystem wesentliche Chance erarbeitet. Käme Schwarz-Grün zustande, hätten die Grünen sich als unabhängige, selbständige Kraft im Parteienspektrum für sehr lange etabliert. Die FDP müßte sich in allen Ländern und im Bund warm anziehen. Denn zu ihnen oder mit ihnen gäbe es dann eine Machtalternative für alle Parteien. Die Grünen könnten sich aus dem Protestmilieu lösen. Die Partei würde für viele, vor allem jüngere Menschen, die an politischer Arbeit interessiert sind, attraktiv. Eine Notwendigkeit — denn ihre Mitgliederzahlen gehen zurück.

Die CDU, die wie die SPD in Bremen nicht begreifen will, daß sie die Wahlen wegen ihrer Politik verloren hat, hätte die Gelegenheit, die Erneuerung ihrer Partei von oben und geschoben von den Grünen anzugehen. Das Wahlergebnis war ein Reflex auf die Modernisierungskrise, in der die westlichen Gesellschaften begriffslos vor sich hin dümpeln. Die CDU ist wie die SPD an einen besinnungslosen Fortschrittsmythos gebunden geblieben. Mit den Grünen ergäbe sich die Gelegenheit, hier mehr von den berechtigten Sorgen und Ängsten der Menschen aufzunehmen und konstruktiv umzusetzen. Einer großen Koalition ist Schwarz- Grün in jedem Fall vorzuziehen. Gehen CDU und SPD zusammen, wird zwangsläufig der grüne Katastrophismus wieder gestärkt, und die „Republikaner“ werden das nationale Argument in allen seinen Facetten zu ihren Gunsten gebrauchen können. Schwarz-Grün könnte also auch die demokratische Antwort auf die „Republikaner“ sein.

Aber das alles sind Sandkastenargumente ohne großen Realitätsgehalt. Der Politikprozeß in der Bundesrepublik ist an die Parteien und ihre internen Machtkonstellationen, ihren Klientelismus fest gebunden. Hier dominieren die ideologischen Lagerdenker. So laufen die Grünen beim Regieren mit der CDU tatsächlich Gefahr, noch einmal einen Teil ihrer heute verzweifelt auf Rot-Grün abonnierten, so sanft gewordenen Linken zu verlieren. Die CDU, in der schon viele offen nach einem Bündnis mit den „Republikanern“ schreien, würde sich noch stärker den wertkonservativen Reformen öffnen und dafür den rechten Rand verlieren. Die Bindung der Parteien an ihr Klientel würde sich so unübersehbar lockern, daß die Parteien einen neuen Auftrag für sich finden müßten. Die Bürger wollen keine Lagerparteien mehr, sondern erwarten Dienstleistungen allererster Qualität im Umbau der Gesellschaft. Aber was nicht sein soll, das darf nicht sein. Udo Knapp

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