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GASTKOMMENTARCity of Fear

■ Berlin und der IWF-Kongreß

Zwei Berichte erzählen eine häßliche Geschichte. Einmal beklagt die UNICEF, daß in den letzten Jahren allein in Afrika eine Million Kinder an den Auswirkungen der tödlichen Schuldenkrise der „Dritten Welt“ gestorben sind. In der anderen Geschichte prahlt der Polizeipräsident West-Berlins, die derzeitige Polizeipräsenz in der Stadt wäre nur während des Zweiten Weltkriegs – unter den Nazis – massiver gewesen.

Denjenigen, die nicht verstehen, warum Tausende gegen die Politik von IWF und Weltbank demonstrieren, werden die UNICEF-Klagen jetzt die Augen öffnen: Der sinnlose Tod von mehr als einer Million Kinder ist ein abscheuliches Verbrechen, das alle verwerflich finden – sogar unpolitische Mitbürger. Doch das offizielle Berlin reagiert auf diejenigen, die sich über den Tod aufregen, mit Hausdurchsuchungen, Festnahmen und 9.000 Polizisten im Kampfanzug. In derselben Stadt, wo Mitglieder der Jungen Union ungeschoren neonazistische Lieder gröhlen: „Die Lager stehen leer, es gibt keine Folterknechte mehr; die Öfen warten still, bis einer wieder Menschen braten will. Aus den Duschen fließt kein Gas und befriedigt den Rassenhaß. Im KZ war's doch so nett.“

Wenn der Berliner Senat davor warnt, daß sich auch „Asoziale“ an den Anti-IWF-Protesten beteiligen, hat die Öffentlichkeit die Pflicht, sich zu fragen, ob diese Sprache von den Stalinisten in Bukarest entliehen wurde oder ob sie ihren Ursprung in der erfolgreich verdrängten Geschichte dieser Stadt hat. Und falls nur einer einzigen Person die Einreise nach West-Berlin verweigert wird, um den Protest gegen den Tod der Kinder zu behindern, verliert die Stadt völlig ihren Anspruch auf den Ruf, das Schaufenster des Westens zu sein. In Flugblättern und Plakaten behauptet die Polizei: „Berlin steht für Weltoffenheit, Meinungsvielfalt, Gastfreundschaft.“ Doch jedem Beobachter sei vergeben, wenn er glaubt, Berlin sei eine „city of fear“.

Ran Jak, ausländischer Journalist und Beobachter in Berlin

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