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GALisches Flügelschlagen

■ Wahl-Nachwehen: Hamburgs Grüne sind sich schon wieder nicht mehr grün / Spaltung per Kampfabstimmung verhindert/ Von Marco Carini

Sie können das Streiten nicht lassen. Nur eine Woche nach ihrem Super-Bundestagswahlergebnis ist innerhalb der Hamburger GAL wieder einmal das heftige Flügelschlagen ausgebrochen. Nur per Kampfabstimmung verhinderten die „Realos“ vom Grünen Forum auf einer Mitgliederversammlung am Wochenende, daß vier der Ihren aus dem Parteivorstand gekantet wurden. Sie hatten zuvor in der erregt geführten Debatte unmißverständlich gewarnt: „Wenn es zur Abwahl kommt, ist das die Spaltung der GAL“.

Der Anlaß für den hausgemachten Knatsch: Die „Viererbande“ (Dorothee Freudenberg-Hübner, Bettina Kähler, Nikolaus Meyer, Heinz Spilker) hatte im Namen des Landesvorstandes SPD-Parteichef Jörg Kuhbier ein Kungelangebot gemacht: Die SPD solle durch Rückzug ihrer KandidatInnen die grünen Erststimmen-Kandidaturen von Krista Sager und Jo Müller unterstützen. Im Gegenzug würden dann die Grünen die SPD-KandidatInnen in den anderen fünf Wahlbezirken unterstützen. „Das war ironisch gemeint“, verteidigte Meyer das Schreiben.

Doch die Parteilinke fand's nicht besonders komisch. Sie warf den vier AutorInnen ein „parteischädigendes und undemokratisches Verhalten“ vor, mit der „bewußte Strömungspolitik“ gemacht werden sollte. Zwar hatten sich die vier BriefschreiberInnen zuvor Asche auf ihr Haupt gestreut, weil sie den Brief im Namen des Parteivorstandes verfaßt hatten, doch „an der Ernsthaftigkeit dieser Entschuldigung“ bestanden für die Parteilinken am Wochenende „erhebliche Zweifel“. Schließlich machte Bettina Kähler deutlich, daß sie den Alleingang „für ein Zeichen einer lebendigen, innerparteilichen Demokratie“ halte.

Deutlich wurde in dem Streit vor allem eins: Ein elfköpfiger, nach innerparteilichen Strömungen sorgsam austarierter Parteivorstand ist gerade in Wahlkampfzeiten hoffnungslos damit überfordert, schnell auf die taktischen Manöver der anderen Parteien zu reagieren. „Wir mußten schnell auf den Vorwurf der SPD antworten, daß wir mit unserem Erststimmenwahlkampf die Chancen der SPD-DirektkandidatInnen zugunsten der CDU schmälern und so die Chancen auf eine rot-grüne Wende vermindern“, begründete Nikolaus Meyer den unabgesprochenen Schnellschuß.

Zwar zeigte sich „die Partei in der Mitte gespalten“ (Martin Schmidt), doch die Gräben konnten noch einmal zugekleistert werden: Mit 74 zu 50 Stimmen wurde der Rauswurf der BriefschreiberInnen aus dem Vorstand abgebügelt, sie kamen mit einer Rüge davon.

Deutlicher die Mehrheit gegen einen anderen Antrag der Parteilinken, in dem der Bundesvorstand der Grünen aufgefordert wurde, „der PDS ein Gesprächsangebot zu unterbreiten“, das in ein „tragfähiges Bündnis“ zwischen beiden Parteien münden sollte. Bei aller Kritik an „irrationalen Abgrenzungsstrategien“ gegenüber den Ost-Linken ging den GALierInnen ein solcher Schmusekurs mit der SED-Nachfolgeorganisation doch entschieden zu weit.

Mit großer Mehrheit verabschiedet wurde hingegen ein Antrag „Aufbau Ost“: Die Bundespartei und sämtliche Landesverbände der Grünen sollen danach in den kommenden Jahren die kränkelnden Ost-Grünen finanziell und personell unterstützen.

Vielleicht schicken die Hamburger Grünen als Solidaritätszuschlag erstmal ein paar ihrer Platzhirsche Richtung Osten: Die „Wahlnachlese“-Debatte auf der Mitgliederversammlung bestritten neben den zwei BundestagskandidatInnen Kristin Heyne und Amke Dietert-Scheuer fast ausschließlich männliche Galier.

Als sich nach vierzehn männlichen Redebeiträgen in Folge, allesamt sorgsam von den Anwesenden belauscht, die Bürgerschaftlerin Anna Bruns hinters Micro schwang, wurde sie immer wieder durch massive Zwischenrufe des GAL-Oberrealos Jo Müller gestört. Die Diskussionskultur der Hamburger Grünen, das machte die Mitgliederversammlung nur allzu deutlich, kann kaum der Grund für die zur Zeit hervorragenden Wahlergebnisse der GAL sein.

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