G8-Gegner: Richter prüfen Meldepflicht
Ein Berliner G-8-Kritiker durfte 2001 nicht nach Genua fahren. Darin sieht er sein Demonstrationsrecht verletzt.
STUTTGART taz Dürfen Globalisierungskritiker mit polizeilichen Meldeauflagen an der Auslandsreise zu einer Demonstration gehindert werden? Diese Frage muss heute das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig klären. Das Berliner Oberverwaltungsgericht hatte die Maßnahme in der Vorinstanz gebilligt.
Vor dem G-8-Gipfel in Genua 2001 ließ sich die Polizei einiges einfallen, um vermeintlich militante Gipfelgegner von der Reise nach Italien abzuhalten. Sie versah Pässe und Personalausweise für die Zeit des Gipfels mit einer Ausreisebeschränkung und verpflichtete die Betroffenen, sich täglich bei ihrer Polizeidienststelle zu melden. Andere wurden erst an der Grenze aufgehalten, ohne dass sie wussten, was gegen sie vorliegt. In Leipzig wird es heute nur um die Zulässigkeit der Meldeauflagen gehen.
Kläger ist der 27-jährige Berliner Fabian K. Er musste sich sieben Tage lang jeweils vormittags bei der Polizei melden. 15 andere Berliner und bundesweit 81 Personen waren Medienberichten zufolge von ähnlichen Maßnahmen betroffen.
So wollte die Polizei verhindern, dass sie nach Genua fahren und dort an den von der Polizei erwarteten gewalttätigen Demonstrationen teilnehmen. K. wurde einem "Kreis linksextremistischer Gewalttäter" zugerechnet. Immerhin sei er schon zweimal rechtskräftig wegen politisch motivierter Gewalttaten verurteilt worden.
Die konkrete Gefahrenprognose im Fall von Fabian K. kann beim Bundesverwaltungsgericht nicht mehr gerügt werden, denn in der Revision werden keine Beweise mehr erhoben. K.s Anwalt Sönke Hilbrans will aber insbesondere kritisieren, dass in der Vorinstanz das Grundrecht der Versammlungsfreiheit völlig missachtet wurde. In dem Urteil heißt es tatsächlich, K. könne sich nicht auf die Demonstrationsfreiheit berufen, weil nach der "Prognose" der Polizei "zu erwarten war", dass K. sich an gewalttätigen Aktionen beteiligen werde. So einfach kann man es sich wohl nicht machen.
Das Bundesverwaltungsgericht findet vor allem die Frage interessant, ob neben einer Passbeschränkung noch polizeiliche Meldeauflagen möglich sind. Die Passbeschränkungen sind in einem Bundesgesetz geregelt, die Meldeauflagen wurden auf das Landespolizeigesetz gestützt. Wenn der Bund solche Reisebeschränkungen jedoch abschließend geregelt hat, dann waren die Meldeauflagen unzulässig.
Das Urteil wird für Mittwoch erwartet.
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