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G-G‘

Karriere eines Finanzabenteurers  ■ Mit der Drexel-Pleite auf du und du

Berlin (taz) - Das Ende von Drexel Burnham Lambert ist nicht der Konkurs eines normalen Unternehmens. Mehr als andere Unternehmen verkörpert das US-amerikanische Wertpapierhaus den während der Reagan-Ära in Gang gesetzten Mythos von den unbegrenzten finanziellen Möglichkeiten der Vereinigten Staaten.

Größter Nettoschuldner der Weltwirtschaft, die interne Verschuldung vermehrfacht - im Sog einer solchen Politik hat sich die gesamte Volkswirtschaft der USA in ein riesiges Spielkasino verwandelt, das nur noch Gewinne auszuzahlen schien. Das von der unsoliden Finanzpolitik der Reagan -Regierung geschaffene Spekulationsklima hat schnell eine Vielzahl von Unternehmungen auf die Märkte treten lassen, die ihren alleinigen Zweck nur noch in der beschleunigten Expansion der Zirkulationsfigur G-G‘ sahen.

Der klassische Umweg über die Produktion von Mehrwert wurde angesichts der hohen Renditen auf den Finanzmärkten in immer geringerem Maße beschritten.

Am spekulativen Schwungrad kräftig mitgedreht hat auch die Investment-Bank Drexel Burnham Lambert. Die Finanzgruppe machte sich unter Führung ihres Chefs der „Forschungsgruppe Wertpapiere“, Michael Milkens, daran, einen neuen Markt für Wertpapiere zu schaffen. Zunächst, ab 1978, dienten die neu entwickelten Junk Bonds vor allem zur Finanzierung kleiner und unbekannter Unternehmen. Für diesen Zwecke wurden die Anleihen stark gestückelt und den potentiellen Käufern hohe Zinssätze angeboten. Weil das Geschäft sich gut anließ und Drexel schnell zum Marktführer aufstieg, machte sich Milken zusammen mit dem Drexel-Management über weitere Expansionsmöglichkeiten Gedanken. Im fiebrigen Finanzklima der yuppisierten USA wurde die Idee entwickelt, die Junk Bonds zur Finanzierung von Unternehmensaufkäufen zu instrumentalisieren. Damit hatte vor allem Milkens die Henne gefunden, die goldene Eier zu legen wußte.

1986, auf dem Höhepunkt der Junk-Bond-Transaktionen, konnte Drexel bereits einen Gewinn von knapp einer Milliarde US -Dollar vor Steuern ausweisen. Noch cleverer hat sich allerdings der Junk-Bond-Erfinder Milkens verhalten, der einen Vertrag mit Drexel auszuhandeln wußte, der ihm während seiner Geschäftstätigkeit einen Lohn von ebenfalls einer Milliarde US-Dollar eintrug. Besonderen Anteil an diesem Geldregen hatten die hostile takeovers, also die feindlichen Firmenübernahmen, die seit Anfang der achtziger Jahre sich zu einem beliebten Gesellschaftsspiel mausern sollten. Das Spiel ist so einfach wie riskant: Ein Investor kauft den Aktionären eines Unternehmens ihrer Papiere zu einem eigentlich überteuerten Kurs ab.

Sie werden dann mit kurzfristigen Überbrückungskrediten von Banken ausgezahlt. Dann zwingt der Neu-Eigentümer das Unternehmen zur Emission der hochverzinslichen Wertpapiere, mit deren Einnahmen die Überbrückungskredite abgelöst werden.

Um die Junk-Bond-Inhaber ihrerseits zu befriedigen und selbst die gewünschte Rendite aus dem Engagement zu erzielen, wird das Unternehmen zerlegt und meistbietend verhökert. Der schwarze Peter bei diesem Spiel verbleibt bei dem gekauften Unternehmen, das jetzt mit hohen Schulden und Zinsleistungen konfrontiert ist.

Wie immer, wenn schnell viel Geld zu verdienen ist, geraten die ökonomisch sowieso schon abenteuerlichen Transaktionen in den Bereich der Wirtschaftskriminalität. So auch im Falle der Aktivitäten von Michael Milkens, der seine Schlüsselstellung für verbotene Insider-Geschäfte nutzte und deswegen mit staatlichen Konfiszierung seines Milliarden -Ertrages bestraft wurde. Auch Drexel kam nicht ungeschoren davon: 650 Millionen US-Dollar Strafe mußten abgedrückt werden.

Aber nicht die selbst für US-Verhältnisse beachtliche kriminelle Energie von Michael Milkens hat der Drexel-Gruppe den Hals gebrochen. Für den Todesstoß sorgte die schiere ökonomische Logik. Immer mehr mit Junk Bonds finanzierte Unternehmensaufkäufe erwiesen sich als Flops, weil selbst der völlige Ausverkauf der Betriebsteile nicht ausreichte, um den hohen Liquiditätsanforderungen Genüge zu leisten. Spätestens mit den akuten Zahlungsschwierigkeiten der kanadischen Campeau-Gruppe im September letzten Jahres, die nahezu zwanzig Milliarden Dollar Kredite zur Finanzierung ihrer takeovers aufgenommen hatte und dabei auch auf den Junk-Bond-Markt zurückgriff, ist der Markt für Schrottanleihen zusammengebrochen. Das Unternehmen hat die Rechnung der finanzpolitischen Perversitäten der Reagan-Ära nicht begleichen können.

Zausel

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