piwik no script img

Fußgängerperspektive

■ betr.: „Papierarchitektur“ (Rein hardts Dino-Erben), „Riese unter Zwergen“, taz vom 1.3.94

[...] Wie verträglich Stadt- und Bauobjekte für den Nahbereich, für die dort lebenden Menschen sind, bedarf immer einer eingehenden Untersuchung und Prüfung, wobei die Berliner Traufhöhe aber nicht der alleinige Maßstab sein kann. Sicher eignet sich für solch eine Bewertung die von Architekten, Stadtplanern und entsprechenden Publizisten allzugern benutzte Methode der Vogelperspektive, der fotografischen Erfassung von oben auf Architektur- und Stadtmodelle am allerwenigsten. Auch in der taz wurde solch ein Modell-Foto veröffentlicht.

Diese Sicht führt zu völlig falschen Anschauungen und vermag keine Vorstellung aus der Fußgängerperspektive zu vermitteln. Sinnfälligerweise ist doch davon auszugehen, daß die meisten Menschen von solchen Bauten nicht aus der Luft oder aus dem Flugzeug betroffen sind, was auch ganz reizvoll sein kann, sondern sie bewegen sich als immer noch bodenläufige Wesen in den Städten meist auf den Straßen zwischen den Gebäuden. Nur ein Bemühen um solch eine Sichtweise (Fußgängerperspektive) kann zu plausiblen sinnlichen Erfahrungen gegenüber der zu erlebenden städtischen Umwelt führen. Nur so können wir wirklich beurteilen, ob solch ein Gebäude perspektivisch herrliche Aussichten eröffnen kann oder zur Belastung wird. Bedenken wir, daß mittelalterliche Kathedralen auch nicht an den Traufhöhen der damaligen relativ kleinen Häuser ausgerichtet wurden und dennoch, wie Chartres heute noch zeigt, in ihrer Monumentalität aus jeder Gasse eine neue genußreiche, visuelle Offenbarung bieten können. Werner Brunner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen