Fußballprofi Zahir Belounis: Wettbewerb der Sklavenhalter
Zahir Belounis hat Katar verlassen. Die Berichte über den Fußballsklaven haben das Image des Emirats weiter nachhaltig beschädigt.
„Wir sind frei.“ Johanna Belounis wählte große Worte nach ihrer Rückkehr aus Katar. Ihr Mann, der Fußballer Zahir Belounis, durfte das Emirat, in dem er eineinhalb Jahre festsaß, weil ihm sein ehemaliger Arbeitgeber vom Armeesportklub El Jaish ein Ausreisevisum verweigert hatte, am Donnerstag verlassen. Zusammen mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern landete er am Abend in Paris. Er wurde von seiner Mutter und seinem Bruder Mehdi begrüßt.
Mehdi Belounis war es, der in den vergangenen Wochen alles unternommen hat, um die Weltöffentlichkeit für den Fall seines Bruders zu sensibilisieren. Ihm ist es zu verdanken, dass Zahir Belounis zur Symbolfigur all jener geworden ist, die die Sklavenhaltergesellschaft im WM-Ausrichterland 2022 kritisieren.
Am Beispiel des Fußballers, der monatelang keine Gehaltszahlungen erhalten hat und dessen Eigentümer das Recht hatte, ihm die Ausreise aus Katar zu verweigern, ließ sich das System der Leibeigenschaft, unter dem auch die zahlreichen Bauarbeiter für die WM-Projekte leiden, besonders eindrucksvoll darstellen.
Zahir Belounis’ Fall wurde letztlich auf hoher diplomatischer Ebene gelöst. Die Fußballfamilie, über deren Zusammenhalt Joseph Sepp Blatter, der Präsident des Internationalen Fußballverbandes, so gerne schwadroniert, hat dem Fußballer dagegen nicht helfen wollen.
Kein Stress mit den Scheichs
Als Blatter vor zwei Wochen das Emirat besuchte, um mit den WM-Organisatoren über die Fortschritte bei der Vorbereitung auf das Turnier 2022 zu sprechen, mochte sich der Fifa-Boss nicht um das Familienmitglied kümmern. Die Profispielergewerkschaft FifPro hatte Blatter aufgefordert, Belounis in Katar zu besuchen. Doch Blatter wollte die Scheichs partout nicht brüskieren.
Er findet die Kritik am Emirat übertrieben. Am Dienstag sagte er bei einem Meeting mit Funktionären des Asiatischen Fußballverbands in Kuala Lumpur: „Es ist unfair, wenn die internationalen Medien, vor allem die aus Europa, sich ein arabisches Land vorknöpfen, um es anzugreifen und zu kritisieren.“ Er machte seine Position klar: „Wir werden das Land verteidigen.“
In Katar ist man dieser Tage froh um jeden Unterstützer. Die schlechte Presse, die das Land seit den Berichten der Menschrechtsorganisationen Human Rights Watch und Amnesty International über die Arbeits- und Lebensbedingungen von Fremdarbeitern, könnte dazu führen, dass sich immer weniger Arbeitsmigranten für einen Job in Katar entscheiden.
Wettbewerb der Emirate
Das Nachrichtenportal dohanews.co zitiert Wissenschaftler, die befürchten, dass sich gerade die spezialisierten Fachkräfte gegen einen Job in Katar aussprechen könnten. Dass Dubai am Donnerstag den Zuschlag für die Ausrichtung der Expo 2020 erhalten hat, könnte zu einem Wettbewerb der Emirate führen, in dem das übel beleumundete Katar den Kürzeren ziehen könnte, so wird befürchtet.
Dubai hat schon in seiner Bewerbung versprochen, 227.000 Arbeitsplätze für die Expo zu schaffen. Die soll natürlich die „beste Weltausstellung aller Zeiten“ werden, wie Dubais Herrscher Scheich Mohammed bin Raschid al-Maktum tönte. Die billigen Bauarbeiter aus Südostasien, mit deren Hilfe das Expo-Gelände aus dem Boden gestampft werden soll, sind in der Rechnung Dubais übrigens nicht enthalten.
Um die Versorgung mit neuen Billigarbeitern macht man sich in Katar ohnehin keine Sorgen. „Die Bedingungen in den Herkunftsländern sind so, dass der Wunsch möglicher Arbeitsmigranten, nach Katar zu kommen, nicht nachlassen wird.“ So wird die Arbeitsmarktforscherin Zahra Babar von der Georgetown University in Katar zitiert.
Sollten sich die Arbeiter für Dubai entscheiden, wird es ihnen ohnehin nicht viel besser ergehen als in Katar. Als in Dubai das höchste Gebäude der Welt errichtet worden ist, wurden mit den Geschichten vom Turmbau immer wieder Berichte über die miesen Arbeitsbedingungen geliefert. Einen weltweiten Aufschrei hat es indes nicht einmal gegeben, als das Konsulat Indiens in Dubai 2011 bestätigte, dass sich jede Woche zwei indische Arbeiter das Leben nehmen. Sepp Blatter würde diesen Mangel an Empörung wohl als fair bezeichnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen