Fußballfunktionäre in Italien: Wettstreit der Betrüger
Viele italienische Fußballfunktionäre gehen recht außergewöhnlichen, kriminellen Geschäften nach – oft ohne größere Folgen.
Mit Fluggesellschaften haben italienische Fußballpräsidenten kein glückliches Händchen. Catanias Präsident Antonio Pulvirenti machte mit Wind Jet bankrott – und ließ aus der Konkursmasse einiges an Vermögen verschwinden, weswegen er sich noch vor Gericht verantworten muss. Sampdorias Präsident Massimo Ferrero legte mit der Fluggesellschaft Livingston eine Bruchlandung hin. Wie sein Kollege Pulvirenti zweigte auch er Geld ab und drehte so den Gläubigern eine Nase. Auf neun Millionen Euro beziffern die Staatsanwälte diese Summe. Im Juni 2014 schloss Ferrero mit dem Gericht einen Vergleich und wurde zu 22 Monaten Gefängnis wegen betrügerischen Bankrotts verurteilt.
Richtige Folgen hatte dies erst letzte Woche. Da erklärte der Fußballverband FIGC nach fast dreijähriger Bearbeitungszeit, dass Ferrero eben wegen dieser Haftstrafe nicht als Präsident eines Serie-A-Klubs infrage käme. Strafen bis zu einem Jahr können sich Fußballpräsidenten leisten, ohne laut Statut das Amt niederlegen zu müssen.
Der Skandal bei der Angelegenheit ist nicht nur, dass die Verbandsfunktionäre so lange brauchten, um in ihren Satzungen zu blättern. Peinlicherweise wurde der Film- und Flugunternehmer aus Ligurien genau an dem Tag Eigner und Präsident der Sampdoria, als ihm auch die Nachricht von der Haftstrafe zugestellt wurde. Er hätte maximal einige Stunden Präsident sein dürfen.
Gut, aus Spektakelgründen wäre es schade gewesen, wenn der Mann nicht seine Veitstänze bei Niederlagen der Sampdoria hätte aufführen können. Für eine dieser Jubelorgien – er rutschte wild auf einer zwischen seinen Schenkeln befindlichen Alustange herum – bekam er am Tage nach seinem erzwungenen Rücktritt noch eine zwanzigtägige Sperre wegen „vulgären Jubels“ aufgebrummt. Auch sonst fiel er auf. Er verunglimpfte Palermos Präsident Zamparini als Mafioso und bezeichnete Pulvirenti als das Übel des Fußballs schlechthin. Er forderte für Letzteren gar den Tod!
Der Wutausbruch gegenüber Pulvirenti war ausgelöst worden, weil dieser Spiele hatte kaufen lassen, um seinem Verein ein paar Punkte zu sichern. Das war selbst für Ferrero zu viel.
Geschäftsmodell: kriminelle Aktivitäten
Die Beispiele Ferrero und Pulvirenti deuten an, dass kriminelle Aktivitäten zum Geschäftsmodell von Fußballpräsidenten gehören. Cagliaris Expräsident und aktueller Besitzer des englischen Zweitligisten Leeds United, Massimo Cellini, musste vor drei Jahren ins Gefängnis, weil er den Bürgermeister von Cagliari zwecks Stadionbau bestochen hatte.
Antonio Gozzi, Stahlunternehmer und Präsident des Zweitligisten Virtus Entella, wurde vor zwei Jahren wegen Bestechung verhaftet. Er blieb aber Klubpräsident. Massimo Romagnoli, Chef des Viertliga-Klubs Orlandina, wurde 2016 in den USA zu vier Jahren Haft verurteilt, weil er der kolumbianischen Guerilla Luftabwehrraketen offerierte. Romagnoli war einst auch Abgeordneter von Silvio Berlusconis Forza Italia. Der Milan-Präsident und Expremier sah sich bei Mafia- und Meineid-Prozessen, wegen Bestechung, Steuerhinterziehung und Prostitution auf der Anklagebank.
Dass solche Männer im italienischen Fußball munter agieren können, liegt natürlich auch am Personal des Verbands selbst. Es sitzt im Glashaus und hütet sich, mit Steinen zu werfen. Präsident Carlo Tavecchio wurde gleich zu Beginn seiner Amtszeit von der Uefa für sechs Monate wegen rassistischer Sprüche suspendiert. Als Geschäftsmann wurde er in den 90er Jahren wegen Steuerhinterziehung zu mehreren Monaten Haft verurteilt.
In den Verbandsvorstand holte sich Tavecchio Claudio Lotito. Der Lazio-Präsident stand einst wegen der Manipulation des Aktienkurses seines Klubs vor Gericht. Ein Verfahren wegen betrügerischerem Bankrott bei seinem Zweitklub Salernitana läuft ebenso wie eines wegen versuchter Erpressung.
Angesichts dieser Geschichten kann man die Entrüstung von Sampdorias Expräsident Ferrero sogar nachvollziehen. Er bezeichnete seine erzwungene Abdankung als „ungerecht“. Klar, wer konnte schon die Einhaltung von Gesetzen erwarten?
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