Fußballerinnen auf Kurs zur WM: Partylöwinnen im Siegestaumel
Nach ihrem EM-Sieg würden die deutschen Fußballerinnen am liebsten gleich zur WM übergehen. Die anderen Teams fragen sich inzwischen, wieso die Deutschen immer gewinnen.
HELSINKI taz | Ganz am Anfang hörten die Partylöwinnen ihrem Präsidenten ja noch zu. Doch schon nach den ersten Sätzen, die Theo Zwanziger über die Lippen brachte, warf so manche Fußball-Europameisterin die Etikette über Bord.
Viel lieber als sich eine kleine offizielle Hommage des Verbandschefs anzuhören, interviewten sie sich gegenseitig selbst, ließen ihre Fotohandys in der stickigen Luft kursieren oder brachten, wie Melanie Behringer, die Barkeeper mit ungewöhnlichen Getränkewünschen zur Verzweiflung.
Von Zwanziger, der seine Lob- und Dankesrede einsam im Halbdunkel abschloss, schwenkten die Kameras wie auf Kommando in die entgegen gesetzte Richtung, um ja keine Albernheit der erfolgreichen Frauen zu verpassen.
Es war ein amüsanter EM-Ausklang in der sechsten und obersten Etage in Urho Kekkosen Katu, Hausnummer 1a. Das Sträßchen im Zentrum von Helsinki hatten Deutschlands Fußballerinnen nach ihrem siebten EM-Triumph für die Siegesfeier ausgesucht.
Um halb eins in der Nacht kamen die Damen in kompletter Mannschaftsstärke an, malträtierten bei der gemeinsamen Fahrt im geräumigen Aufzug über sechs Stockwerke hinweg die blechernen Wände des Fahrstuhls, was einen rechten Höllenlärm verursachte. Dann stiegen sie aus – fein zurechtgemacht für ihren allerletzten Auftritt in Finnland.
Der vorletzte war die 6:2-Flut gewesen, mit der das Team von Silvia Neid die Engländerinnen knapp vier Stunden zuvor im Finale aus dem örtlichen Olympiastadion gefegt hatte. Ein Erlebnis, das Simone Laudehr geradezu süchtig machte. Die 23-jährige Mittelfeldspielerin wollte am liebsten an Ort und Stelle die Zeit um zwei Jahre nach vorne drehen und nahtlos zur Heim-WM im Sommer 2011 übergehen. "Nach dieser EM werden die Leute in Deutschland in die Stadien kommen, um uns zuzuschauen", ist sich Laudehr beim Gedanken an das Heimspiel 2011 gewiss und strahlt: "Ich freue mich total darauf. Ich könnte jetzt sofort anfangen mit der WM."
Dabei war sie in dem Moment mit ihren 21 Mit-Europameisterinnen gerade noch im "Tiger" – jenem Club, in dem die deutschen Fußballerinnen die Nacht nach dem Finale zum Tage machten. Als dann tatsächlich der Morgen graute, schob sich die übernächtigte DFB-Delegation aus dem Mannschaftsquartier im Norden der finnischen Hauptstadt Richtung Flughafen, um pünktlich um 13.05 Uhr in Frankfurt zu landen und sich anschließend wieder einmal am Römer feiern zu lassen.
Das große Ziel ist es, dort auch bei der WM im eigenen Land am Tag nach dem Endspiel zu stehen. Aber es gibt noch mehr Ziele für 2011. So wollen die Veranstalter die Stadien – im Gegensatz etwa zum unerhört ruhigen und besucherschwachen Turnier in Finnland – dann ordentlich füllen, mit im Schnitt 25.000 Zuschauern. Ein sehr ehrgeiziger Plan, der auch mit drei potentiellen Zugpferden wie Deutschland, Brasilien und den USA nicht zu erfüllen sein wird.
Und so sind die Siegerinnen der letzten beiden Welt- und letzten Europameisterschaften dankbar für jeden Gegner, der sich nicht vor lauter Frust über die ständigen Niederlagen beleidigt in sein Schneckenhaus zurückzieht, sondern das DFB-Team als bewunderns-, vor allem aber nachahmenswertes Vorbild betrachtet.
So wie es Hope Powell, die Trainerin der eine Stunde lang ebenbürtigen Finalistinnen aus England, hält. Die 42-Jährige hat schließlich mitbekommen, wie die deutschen Spielerinnen ihr keineswegs gebrechliches Team in den letzten 30 Minuten in Grund und Boden liefen.
"Die Deutschen sind wie eine Dampfwalze. Sie machen alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellt", staunte Italiens Angreiferin Patrizia Panico während des Turniers über die enorme Fitness der Neid-Elf. Im "Tiger" zu Helsinki schrieb der dafür zuständige Konditionstrainer Norbert Stein nun "Minimum 30 Prozent" des EM-Titels Kraft und Ausdauer der deutschen Spielerinnen zu.
Miss Powell möchte daher mehr erfahren über diese Seite der Erfolgsmedaille, die als wichtiges Nebenprodukt auch eine Konkurrenzsituation schafft, deren Opfer selbst die 31-jährige Rekordnationalspielerin Birgit Prinz ("Die WM 2011 bleibt mein großes Ziel – ich hoffe, ich bin dann noch dabei") werden könnte.
Die Vorsitzende des Organisationskomitees für die Frauen-Fußball-WM, Steffi Jones, jedenfalls empfängt, ganz im Sinne der deutschen Weltverbessererinnen, jede Fortbildungswillige mit offenen Armen. "Alle", lautet das unmissverständliche EM-Fazit von Jones für 2011, "kommen näher an das Niveau heran, das wir haben wollen."
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