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Fußballerinnen-AusstellungDies ist kein Kaffeeklatsch

Die Geschichte des deutschen Frauenfußballs ist jung - die Liste seiner Erfolge ziemlich lang. Eine Ausstellung in Wiesbaden blickt zurück.

Die berühmte Prämie für die Europameisterinnen 1989: ein Kaffeeservice. Bild: dpa

1974 war für den Fußball in Deutschland ein ganz besonderes Jahr: Die deutschen Männer wurden Weltmeister, Bayern München holte zum dritten Mal nacheinander den nationalen Meistertitel und zusätzlich den Landesmeister-Pokal. Und: Es wurde die erste offizielle deutsche Meisterschaft im Frauen-Fußball ausgespielt. Der TuS Wörrstadt gewann vor 4.000 Zuschauern im Mainzer Bruchwegstadion 4:0 gegen Eintracht Erle-Gelsenkirchen den Titel. Und nicht nur das: Erstmals schoss mit der Wörrstädterin Bärbel Wohlleben eine Frau das "Tor des Monats".

33 Jahre später gelang das auch Simone Laudehr. Mit deren Treffer zum 2:0 im WM-Finale gegen Brasilien sicherten sich die deutschen Frauen vor vier Wochen zum zweiten Mal hintereinander die Weltmeisterschaft. Am Dienstag wird in Zürich die Fifa vermutlich verkünden, dass die Fußballerinnen ihren Titel 2011 in Deutschland verteidigen dürfen.

Im Frauenmuseum in Wiesbaden kann man sich derweil zurückversetzen lassen in die Zeit, als die Frauen begannen, das heilige Grün der Männer zu erobern und Frauenfußball gesellschaftsfähig zu machen. Unter dem Motto "Frauen am Ball - Wir kicken mit " bietet das Museum mit Ausstellungen und Veranstaltungen eine facettenreiche Auseinandersetzung mit dem Frauenfußball. In der Ausstellung "Ballkünstlerinnen" berichten ZeitzeugInnen von Erfahrungen aus der Anfangszeit, zahlreiche Exponate veranschaulichen die Textbeiträge. Die gelungene Kombination aus recht anschaulichen Geschichten und dazugehörigen Ausstellungsstücken bietet dem Besucher die Möglichkeit, die Entwicklung der "Ballkünstlerinnen" Deutschlands nachzuvollziehen.

Ende der Sechzigerjahre begannen Frauen, sich gegen das 1955 vom DFB offiziell verhängte Spielverbot für Frauen zu wehren. Hannelore Ratzeburg, damals selbst Spielerin, später Funktionärin und seit vergangener Woche die erste Frau im Präsidium des DFB, zieht eine Verbindungslinie zu den gesellschaftlichen Veränderungen der Zeit: "Da kam doch alles ins Wanken, und die Rollenklischees wurden endlich hinterfragt."

In Hessen bildeten die Spielerfrauen des Schützenvereins Oberst Schiel eine eigene Mannschaft, trainiert von Ferdinand Stang. Das erste Spiel gegen den Schützenverein Franken 66 im Juni 1968 bezeichnete Stang als "fürchterlich". Doch es war etwas ins Rollen gekommen. Erste Freundschaftsspiele, Kleinfeldturniere und 1970 der Beschluss des DFB, den Frauen das Spiel offiziell wieder zu erlauben. Ein Ausschnitt aus "Sport im Spiegel", einer vom Deutschen Sport-Bund herausgegebenen Zeitung, prophezeite die baldige Einführung einer "Busenliga".

Die Exponate, hauptsächlich Leihgaben der Zeitzeugen, geben einen Überblick über solche Absurditäten, mehr aber noch über die Erfolgsgeschichte des deutschen Frauenfußballs. Das Trikot mit der Nummer 10 von Anne Trabant-Haarbach, der wohl besten Mittelfeldspielerin ihrer Zeit, getragen am 10. November 1982 im ersten Länderspiel einer deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft, hängt neben dem Trikot von Bettina Wiegmann, Weltmeisterin von 2003. Darunter stehen die Schuhe von Renate Lingor, die im Finale von 2003 den Ball spielte, den Nia Künzer zum Golden Goal ins Tor der Schweden köpfte.

Auf einem Bild ist die Nationalelf von 1982 zu sehen. Die Gesichtsausdrücke der Frauen spiegeln ihren Stolz und ihre Freude wider. Anne Trabant-Haarbach erzählt, wie ihr beim Einlaufen ins Stadion die Tränen in die Augen schossen. Neben dem ersten Endspiel um die deutsche Meisterschaft und dem ersten Länderspiel einer Frauen-Nationalmannschaft gibt es noch ein Spiel, das von vielen Frauen als Schlüsselspiel bezeichnet wird: das Finale der EM 89 gegen Norwegen. Deutschland hatte dank der überragenden Torhüterin Marion Isbert das Halbfinale gegen Italien im Elfmeterschießen gewonnen. Es war das erste Spiel der Frauen, das live im Fernsehen gezeigt wurde. Zum Endspiel kamen 22.000 Zuschauer ins Stadion nach Osnabrück. Es gab zwar von dieser Partie keine Liveübertragung, doch der deutliche 4:1-Sieg der deutschen Frauen über Norwegen war trotzdem in aller Munde. In einer Vitrine liegt auch die Prämie des DFB, die die Frauen damals für ihren Titelgewinn bekamen: das inzwischen schon berühmt gewordene Kaffeeservice. Es gibt es tatsächlich.

Ausstellung "Ballkünstlerinnen" im Frauen-Museum Wiesbaden noch bis 2. Dezember 2007

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