Fußballerin Hingst über Kolleginnen: "Da rolle ich mit den Augen"

Frauenfußball-Nationalspielerin Ariane Hingst über den Fleiß ihrer Kolleginnen in der Bundesliga, ihre Zeit als Vollprofi in Schweden und die Europameisterschaft in Finnland.

"In Schweden herrscht einfach prinzipiell eine andere Einstellung als in Deutschland." Bild: ap

taz: Frau Hingst, Sie spielen seit 1996 in der Nationalmannschaft. Was hat sich in diesen 13 Jahren im Frauenfußball, national wie international, verändert?

Ariane Hingst: Der Frauenfußball ist auf jeden Fall deutlich professioneller geworden. Es gibt mehr und mehr Trainer in der Bundesliga, die zumindest halb hauptamtlich angestellt werden. Gerade in der Nationalmannschaft hat sich verdammt viel getan, mit einer Trainerin, zwei Assistenztrainerinnen. Dazu ist mit Doris Fitschen gerade noch eine Managerin dazu gekommen. Und meiner Meinung nach ist auch das Leistungsniveau deutlich angestiegen.

Ein zentrales Problem des deutschen Frauenfußballs war immer die große Leistungskluft zwischen Nationalmannschaft und Bundesliga. Sehen Sie da eine Besserung?

Eine Verbesserung ist vielleicht da, aber keine wirklich große. Da müsste noch viel mehr getan werden. Die Nationalspielerinnen haben immer einen enormen Ehrgeiz, auch was das Trainingspensum und den Willen anbelangt, sich weiterzuentwickeln. Da sind schon Diskrepanzen zu den Bundesligaspielerinnen vorhanden. Wenn ich, wie es noch vor ein paar Jahren der Fall war, höre: Tja, mittwochs kann ich aber nicht trainieren, da gehe ich immer shoppen. Da rolle ich mit den Augen.

Die Mittelfeldspielerin Ariane Hingst, 1979 geboren, hat 161-mal für die DFB-Auswahl gespielt. Zweimal wurde sie Weltmeisterin, dreimal Europameisterin. Seit Januar spielt sie für den 1. FFC Frankfurt. Zuvor war sie zwei Jahre in Schweden bei Djurgarden Stockholm unter Vertrag.

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Die Frauen-EM:

Der Modus: Seit gestern läuft die zehnte Frauenfußballeuropameisterschaft in Finnland. Das Finale findet am 10. September in Helsinki statt. Zum ersten Mal nehmen zwölf Auswahlteams an einer EM teil. Sie spielen in drei Vorrundengruppen um den Einzug ins Viertelfinale. Für die Runde der besten Acht qualifizieren sich die ersten Beiden jeder Gruppe sowie die zwei besten Dritten.

Der Auftakt: Das deutsche Team spielt in der Vorrundengruppe B gegen Norwegen, Island und Frankreich. Die Norwegerinnen sind (24.8.09, 16 Uhr, ARD) der erste Gegner der Deutschen. Gespielt wird in Tampere. Die DFB-Auswahl hat die letzten vier EM-Turniere gewinnen können. Mit sechs Titeln ist sie Rekordeuropameister.

Haben Sie das selbst gehört oder erzählt bekommen?

Das habe ich aus anderen Vereinen gehört. Bei Potsdam haben wir ja immer jeden Tag trainiert. Vielleicht ist das mittlerweile nicht mehr so extrem, und ich möchte auch nicht allen Bundesligaspielerinnen zu sehr in den Hintern treten - aber bei meinem Auslandsengagement in Schweden habe ich es einfach ganz anders erlebt: Da waren Spielerinnen, die Vollzeit gearbeitet haben und trotzdem zwei Mal die Woche früh morgens um sieben auf dem Platz standen und trainiert haben. Die haben keine 200 Euro im Monat verdient, sagten aber einfach: Ich will an meine sportliche Grenze gehen. Diese Einstellung hat nicht jede Spielerin in Deutschland.

Woran liegt das? Ist das ein Generationsproblem?

Das glaube ich nicht. Ich sehe da eher ein kulturelles Problem. In Schweden herrscht einfach prinzipiell eine andere Einstellung als in Deutschland.

Vom Frühjahr 2007 an spielten Sie knapp zwei Jahre in Schweden. Wie haben Sie diese Zeit in Erinnerung?

Ich habe mich dort verdammt schnell eingelebt. Die Menschen in Schweden machen es einem aber auch sehr leicht. Sie sind sehr offen, haben mich gut aufgenommen. Ich selbst habe mich bemüht, die Sprache schnell zu lernen, und hatte auch große Unterstützung von Mitspielerinnen, die einfach nur Schwedisch mit mir gesprochen haben. Ich habe mich dort rundum zufrieden und wohl gefühlt. Mit Djurgarden hatte ich einen super Verein erwischt, mit Stockholm eine richtig geile Stadt. Doch, definitiv: Ich war glücklich da oben.

Fiel es Ihnen da nicht schwer, wieder nach Deutschland zurückzukommen, immerhin arbeiteten Sie damals auch schon als Physiotherapeutin in Djurgardens Eishockeyteam.

Na ja, die Physiotherapie-Geschichte war mal angedacht, mehr aber auch nicht. Ich gebe ehrlich zu, dass ich es in Schweden ziemlich schön fand, einfach nur Profifußballerin zu sein - der richtig gute Legionär. Das hatte ich mir in den Jahren zuvor, als ich genug Doppelbelastungen hatte, auch sehr hart erarbeitet.

Und die Rückkehr nach Deutschland: Ich hatte mir den Schritt gut überlegt, das Kapitel Schweden abzuhaken. Im Herbst des vergangenen Jahres war ich mir dann sicher, nach Deutschland zurück zu gehen - ohne zu wissen, wo und wie es für mich überhaupt weitergeht.

Das Turnier in Finnland - läuft das schon als Generalprobe für die Heim-WM in zwei Jahren?

Ich weiß nicht, ob man es schon als WM-Generalprobe sehen kann. Bis dahin ist ja doch noch einige Zeit. Für viele Spielerinnen ist die EM das erste große Turnier, da bin ich einfach erst einmal gespannt. Meine Gedanken gehen sicher noch nicht in Richtung 2011, aber die Bundestrainerin sieht das vielleicht ein bisschen anders.

Vorstellbar ist es aber schon, dass eine Spielerin wie Birgit Prinz der Gedanke an eine WM im Deutschland stärker motiviert als wenn das Turnier irgendwo anders stattfinden würde, oder?

Klar, wir älteren Spielerinnen haben alle, als wir Deutschland 2011 hörten, gesagt: Okay, das ist das riesengroße Ziel, bis dahin möchten wir es auf jeden Fall schaffen. Allerdings bin ich mir bei Birgit ganz sicher: Wenn sie keinen Spaß mehr am Fußball hätte, würde sie auch jetzt schon aufhören.

In der Mannschaft reden wir immer wieder mal über 2011, allerdings wirklich sehr, sehr selten. Natürlich merken wir, dass von Seiten des DFB wahnsinnig viel getan wird. Aber mir selber nützt es nichts, an 2011 zu denken. Denn dann spiele ich die EM garantiert nicht gut.

Bundestrainerin Silvia Neid sieht neben Deutschland fünf ernsthafte Titelkandidaten. Sehen Sie die auch?

Der Frauenfußball ist in den letzten Jahren immer enger zusammen gerückt, gerade in Europa gibt es eine sehr enge Leistungsdichte. England hat über Jahre ein gutes Jugendprogramm gefahren und sich deutlich weiterentwickelt. Das hat man bei der letzten WM gesehen, wo sie eine sehr gute Rolle gespielt haben.

Auch Frankreich ist da zu nennen, ebenso kleinere Nationen wie Holland - jetzt bitte nicht an das jüngste 0:6 gegen uns denken, das war ein schlechtes Spiel von denen - oder auch Island. Ohne dass man sagt, die seien jetzt der große Titelkandidat. Aber die Ergebnisse werden knapper, die Spiele enger.

Finden Sie es also angemessen, dass an der EM nun erstmals zwölf statt wie bislang acht Nationen teilnehmen?

Von meinem jetzigen Empfinden her schon. Schlauer sind wir aber natürlich erst nach der Europameisterschaft.

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