piwik no script img

Fußballer Pander über fehlenden Weitblick"Die Bank war ein großes Glück"

Der einst dauerverletzte Christian Pander kickt wieder regelmäßig. Vor Hannovers Spiel bei Atlético Madrid erzählt er von seiner Sehnsucht nach einem Happy End.

Nach Panders (M.) Treffer zum 1:0 gegen den FC Kopenhagen macht dieser Bekanntschaft mit der Achsel seines Mitspielers Schulz. Bild: dpa
Interview von Felix Laurenz

taz: Herr Pander, trotz aller Rückschläge haben Sie vor Kurzem Ihr 100. Bundesligaspiel gemacht. Eine besondere Marke für Sie?

Christian Pander: Da lege ich, ehrlich gesagt, gar keinen Wert drauf. Ich hätte es nicht einmal mitbekommen, wenn ich es nicht zufällig gelesen hätte. Ich habe aufgehört, mich mit so etwas zu beschäftigen. Da fange ich nur an, drüber nachzudenken, wie viele Spiele es hätten sein können.

Wird die Angst vor einer neuen Verletzung zum stetigen Begleiter?

Man macht sich natürlich Gedanken, wenn man lange verletzt war. Und wenn man frisch aus der Reha kommt, horcht man ganz besonders in seinen Körper hinein, achtet auf jede Bewegung. Aber wenn man auf dem Spielfeld steht, hat man gar keine Zeit, über eine Verletzung nachzudenken. Man verfällt sofort in alte Muster.

Sie haben mal gesagt, dass Sie sich, um die Angst zu besiegen, nach jeder überstandenen OP ein Tattoo haben stechen lassen. Vor welcher Angst wollten Sie sich schützen?

Bild: dpa
Im Interview: Christian Pander

, 28, musste sich allein schon an seinem linken Knie bereits fünf Operationen unterziehen. Während seiner Zeit bei Schalke 04 fehlte der Abwehrspieler deshalb oft über lange Zeiträume. So kam er auch in der deutschen Nationalmannschaft nur zu zwei Einsätzen. Seit dieser Saison spielt er für Hannover 96.

Ich hatte keine Angst vor den OPs. Ich bin da jeweils mit dem Gedanken reingegangen, dass alles gut ist, wenn ich aufwachen werde. Ich habe den Ärzten zu 100 Prozent vertraut. Deshalb habe ich mich immer mit einer gewissen Vorfreude operieren lassen.

Wovor hatten Sie Angst?

Das nicht mehr machen zu können, woran man sehr viel Spaß hat. Dass meine Geschichte ohne das Happy End zu Ende gegangen wäre, das ich wollte.

Erleben Sie gerade ein Happy End?

Ich hoffe nicht, dass ich schon am Ende bin (lacht). Aber nach den ganzen Querelen der vergangenen Jahre bin ich an einem Punkt angekommen, wo ich sagen kann: Ich habe einen richtigen Schritt gemacht. Den nach Hannover. Endlich bin ich mal verletzungsfrei. Diesen Fakt ein Happy End zu nennen, wäre vielleicht aber doch zu dramatisch. Ich habe mittlerweile gelernt, gelassener zu sein.

Was meinen Sie damit?

Es geht darum, dass ich mir persönlich auch Fehler eingestehen musste. Ich bin falsch mit Verletzungen umgegangen. Ich war überehrgeizig, wollte helfen, wenn ich gebraucht wurde. Ich hatte keinen Weitblick und zu früh wieder angefangen. Und dann wurde ich von einer noch schlimmeren Verletzung zurückgeworfen.

Sie haben mal gesagt, in diesen schwierigen Phasen merkt man, wer die wahren Freunde sind. Wodurch machten sich die falschen bemerkbar?

Die falschen sind da, wenn man gerade im Wembleystadion ein Tor geschossen hat. Dann klingelt das Handy ununterbrochen. Und wenn man grad vom OP-Tisch kommt, rufen die wirklichen Freunde an und fragen, wie es gelaufen ist.

Wie wichtig ist dieses Tor gegen England im Wembley, das jeder Fußballfan mit ihrem Namen verbindet, für Sie?

Es war für mich ein sehr schönes Erlebnis. Ich hatte lange auf mein erstes offizielles Länderspiel gewartet. Dann direkt das Siegtor schießen zu dürfen, war natürlich super.

War dieses Tor das Highlight Ihrer bisherigen Karriere?

Für mich war es ein auch großes Highlight, als ich 2010 nach langer Zeit wieder für Schalke spielen konnte und 60.000 Menschen im Stadion aufstanden und sich mit mir freuten. Das war genauso wichtig wie Wembley.

Auf Schalke waren Sie Publikumsliebling. 2008 haben Sie sogar ein Angebot von Real Madrid ausgeschlagen, um auf Schalke zu bleiben. Warum sind Sie letzten Sommer doch gegangen?

Für mich ging es um einen Neuanfang. Aber ich gebe zu, dass die Perspektive auf Schalke für mich auch nicht die beste gewesen wäre. Gerade nach der Verpflichtung von Christian Fuchs. Nach zehn Jahren auf Schalke, in denen ich leider oft verletzt war, wusste ich, dass es schwierig wird. Deshalb habe ich bewusst den Verein gewechselt, in der Hoffnung, dass mir ein neues Umfeld hilft. Ich musste raus aus meinem Trott.

Trotz dieser bescheidenen Ausgangslage haben Sie sich relativ schnell einen Platz im Team erarbeitet.

Ich habe immer gesagt: Ich will gesund werden und der Rest kommt von alleine. Die ersten Spiele hier in Hannover habe ich auf der Bank gesessen. Aber für mich war das ein Erfolg. Das hieß schließlich, dass ich gesund war. Nun lag es an mir, den Trainer von mir zu überzeugen. Für mich war das ein großes Glück.

Ist es vielleicht Ihre größte Stärke, dass Sie sich von den vielen Verletzungen nie haben runterziehen lassen?

Es waren natürlich auch Phasen dabei, die für mich schwierig waren. Da habe ich meinem Reha-Trainer, der mir über die Jahre ein Freund geworden ist, gesagt: Hey, ich komme diese Woche nicht zur Reha, weil ich eine Auszeit brauche. Denn wenn eine Reha-Phase 19 Monate dauert, dann kommt es auf eine Woche auch nicht an. Da hilft es mehr, wenn man sich eine Woche ablenkt.

Ist es möglich, sich abzulenken?

Man kann es versuchen. Mit einem Freund habe ich damals ein Tonstudio aufgemacht und viel Musik gemacht.

Sie haben gerappt. Einige Tracks sind sogar im Internet. Gehen Sie noch oft in Ihr Tonstudio?

Wenn ich ehrlich bin, war ich seit einem Jahr nicht mehr da. Mein Sohn ist jetzt zwei Jahre alt, und seit er auf die Welt gekommen ist, hat er den Mittelpunkt meines Lebens eingenommen.

Schreiben Sie noch Texte?

Nein. Ich habe meine Musikkarriere an den Nagel gehängt, auch wenn ich es sehr gerne gemacht habe. Das war mein Hobby und ich hatte Spaß dran. Mein Beruf bleibt der Fußball. Jetzt, wo ich fit bin, möchte ich noch so lange wie möglich spielen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!