Fußballer Asamoah über seine Karriere: „Das tut sehr, sehr weh“
Gerald Asamoah über die Realität des Rassismus im Fußball, wie es ist, Affengeräusche zu hören und warum es so schwer fällt, die Karriere zu beenden.
taz: Herr Asamoah, es wird derzeit viel über Rassismus im Fußball diskutiert. In Italien hat Kevin-Prince Boateng vom AC Mailand nach Schmährufen den Platz verlassen, sein Team folgte ihm. Hätten Sie sich so eine Solidaritätsaktion auch mal in der Bundesliga gewünscht?
Gerald Asamoah: Zuerst einmal ist so etwas immer eine Bauchentscheidung. Wenn man in solch einer Lage ist, fühlt man sich so schlecht, dass man nicht weiß, was man tun soll. Es ist schön, dass Boateng Zivilcourage gezeigt hat. Und ich finde es super, dass das Team ihm gefolgt ist.
Bei Hansa Rostock standen Sie kurz nach der WM 2006 bei einem Pokalspiel im Zentrum rassistischer Anfeindungen. Hätten Sie sich vorstellen können, dass Ihnen damals Ihre Schalker Mannschaft gefolgt wäre?
Das ist schwer zu sagen. Ich weiß es nicht. Ich habe mich damals bewusst entschieden, auf dem Platz zu bleiben, damit die Leute das Spiel nicht kaputt machen können.
Boatengs Entscheidung finden Sie dennoch gut.
Ja, man muss ein Zeichen setzen. Entweder so oder so. Es war wichtig, dass auch die anderen Zivilcourage gezeigt haben.
Der Stürmer, 1978 in Ghana geboren, hat in der Bundesliga für Hannover, Schalke und St. Pauli gespielt, bevor er 2012 zur SpVgg Greuther Fürth gewechselt ist.
Soeben ist die Autobiografie „ ’Dieser Weg wird kein leichter sein …‘ Mein Leben und ich“ des 43-maligen Nationalspielers bei Herbig erschienen.
Diese Solidarität haben Sie bei Ihren Nationalmannschaftskollegen nach dem Spiel in Rostock vermisst.
Ich habe die Nationalmannschaft angesprochen, weil sie das Land repräsentiert. Und Ballack war als Kapitän der Kopf der Mannschaft. Wenn er etwas sagt, wiegt das sehr, sehr viel.
Haben Sie Ballack darauf angesprochen?
Nein. Das ist auch keine persönliche Kritik an ihm. Ich wollte einfach nur sagen: Wenn solche Leute wie Ballack oder aber auch Philipp Lahm, die großes Ansehen genießen, zu solchen negativen Vorfällen mehr sagen würden, könnten wir viel erreichen.
Warum beziehen Ihre Teamkollegen so selten Position?
Viele sind mit dem Thema nicht so vertraut und wissen nicht, wie sich solche Anfeindungen anfühlen. Deshalb fand ich es sehr schön, dass Miroslav Klose die Reaktion Boatengs und seiner Teamkollegen gelobt hat. Das löst etwas aus bei den jungen Leuten, wenn ihre Vorbilder sagen: Das geht nicht, wir müssen das bekämpfen.
Sie sagen, aufgrund Ihrer Prominenz könnten Sie sich besser gegen Anfeindungen wehren.
Wir reden über negative Geschichten, die mir widerfahren sind und die alle kennen. Aber wer weiß, was gerade jetzt irgendwelchen Andersfarbigen in Deutschland passiert. Ich weiß durch meine Freunde, wie es denen im Alltag ergeht. Ich gehe voran, um für die Leute zu kämpfen, die es nicht so einfach haben wie ich.
Was können Sie machen?
Ich will immer über dieses Thema reden. Wie das ist, ausgepfiffen zu werden, mit Bananen beschmissen zu werden, diese Affengeräusche zu hören. Das tut sehr, sehr weh. Es ist enorm schwer für uns, damit umzugehen. Ich finde es schade, dass man immer nur darüber redet, wenn etwas passiert. Das ist das Problem.
Sie schreiben in Ihrer Autobiografie von der Stimmung der Toleranz während der WM 2006 und von der Realität des Rassismus, die sich danach wieder offenbart habe …
Es ist ja sehr viel besser geworden. Was vor mir dunkelhäutige Spieler wie Souleyman Sane, Tony Baffoe und Anthony Yeboah erlebt haben, war noch viel schlimmer.
Aber?
Ich habe mich nur gefragt: Wie kann es sein, dass wir so eine schöne WM haben, und ein paar Wochen später wird ein Spieler, der auf dem Platz stand und alles dafür getan hat, die gemeinsamen Ziele zu erreichen, auf einmal ausgepfiffen. Das Rassismusproblem ist immer noch da.
Dem Dortmunder Torhüter Roman Weidenfeller haben Sie vorgeworfen, Sie während eines Spiels als „schwarzes Schwein“ beschimpft zu haben.
Ich werde nie im Leben sagen, dass Weidenfeller ein Rassist ist. Auf dem Platz passieren sehr viel Sachen, und man macht im Leben einmal Fehler. Mich hat nur gestört, dass Weidenfeller, der ja für drei Spiele gesperrt wurde, es abgestritten hat und nicht den Mut hatte, zu sagen: „Asa, das war scheiße von mir, es tut mir leid.“
Haben Sie mit Ihrer Nationalmannschaftskarriere etwas im Denken der Deutschen verändert?
Ich denke schon, dass die Akzeptanz von Menschen mit anderer Hautfarbe größer geworden ist. Es macht mich vor allem stolz, zu sehen, dass mir ja einige andere gefolgt sind: Cacau, Owomoyela, Odonkor.
Ist Ihr Buch so eine Art Abschiedsschrift aus dem bezahlten Fußball?
Klar nähere ich mich mit 34 Jahren dem Karriereende. Man weiß aber nie genau, wann Schluss ist.
Wenn Sie den Klassenerhalt mit Fürth schaffen, wie Sie propagieren, wäre das doch ein schöner Schlusspunkt.
Wollen Sie mich jetzt zwingen aufzuhören? Es ist sehr, sehr schwer, zu sagen, morgen ist Schluss.
Haben Sie einen Plan für die Zeit danach? Als erster afrodeutscher Bundesligatrainer könnten Sie wieder ein Vorreiter sein.
Darüber reden wir noch einmal. (lacht) Das wäre schon reizvoll, aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
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