Fußball und Politik: Emotionaler Fundamentalkritiker
Die AfD-Schelte vom Ex-Präsidenten des Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt ist von der Meinungsfreiheit gedeckt. Unpolitisch war der Sport eh nie.
B ei all den unschönen Dingen, die auf der Welt so vor sich gehen, muss man ja aufpassen, dass man die dollen Sachen nicht komplett verpasst. Für eines dieser schönen Dinge hat Peter Fischer gesorgt, ehemaliger Präsident von Eintracht Frankfurt, der in einem Fernsehinterview folgende richtige Worte über AfD-Wähler*innen sagte: „Rennt denen die Türen und die Tore ein, gebt ihnen Ohrfeigen, kotzt ihnen ins Gesicht. Es ist mir scheißegal. Werdet laut, und zeigt euch endlich. Die müssen sich bewusst werden – das ist nicht nur ein Kreuz. Damit bist du Nationalsozialist, nix anderes.“ Das war im Februar dieses Jahres.
Wenig überraschend kamen dann aus diesem Umfeld einige sich angesprochen Fühlende aus ihren Löchern gekrochen und erstatteten Anzeige, 65 Anzeigen gingen bei der Staatsanwaltschaft ein. Die zuständige Staatsanwaltschaft in Köln hat jetzt die Ermittlungen eingestellt. Es handle sich bei Fischers Worten nicht um einen Aufruf zu einer Straftat, sondern um eine emotionale Fundamentalkritik an der AfD, und in diesem Rahmen sei das erlaubt. Eine Beleidigung sei auch nicht erkennbar, schließlich sei die Bezeichnung „Nationalsozialist“ eine Äußerung, die selbst von Verfassungsschutz gedeckt sei.
Angesichts dieser Entscheidung flossen bei ebenjenen Nazis ein paar Krokodilstränen, was ja mindestens egal, wenn nicht sogar erfreulich ist. Abseits dieser ideologisch motivierten Versuche, sich zu einer bedrohten Opposition zu stilisieren, die schiere Gewalt zu fürchten hat – Peter Fischer ist übrigens 68 Jahre alt –, gibt es aber freilich wieder ganze Legionen von Ahnungslosen, die in ihrer Abgehangenheit glauben, dekretieren zu müssen, der Fußball müsse um jeden Preis unpolitisch bleiben.
Der Fußball war nie unpolitisch und wird es auch nie sein. Das liegt ja auf der Hand, ein Massenphänomen wie der Fußball ist gesellschaftspolitisch immer verstrickt. Ein Blick in die Geschichte des Torjubels würde den Leuten, die vom Fußball eine Depolitisierung fordern, helfen zu erkennen, was für einen Stuss sie von sich geben.
Berühmter Torjubel
In den 30er Jahren hatte Österreich eine der stärksten Nationalmannschaften der Welt, Wien war eine – wenn nicht die – Hauptstadt des europäischen Fußballs. Insbesondere die Wiener Austria praktizierte einen besonderen Spielstil, der mit seinen ständigen Positionswechseln, dem taktischen Verständnis für Raum und dem unbedingten Willen, den Ball zu haben, als Vorläufer des späteren niederländischen football total bezeichnet werden kann. Mittelpunkt dieser Mannschaft war Matthias Sindelar, den sie in den Cafés wegen seiner Schmächtigkeit auch den „Papierenen“ nannten.
Die Austria – damals ein stark jüdisch geprägter Verein – wurde nach dem Anschluss Österreichs quasi aufgelöst, und die österreichische Nationalmannschaft musste, bevor sie in eine großdeutsche Mannschaft hineinliquidiert werden sollte, noch zu einem letzten Spiel gegen das Reich antreten. Die Order war, dass Österreich kein Tor schießen durfte.
Allerdings spielten die Österreicher die Deutschen vor sich her, und nachdem Sindelar mehrfach vor dem leeren Tor einfach abdrehte, langte es ihm irgendwann und er schoss doch das 1:0; um sich daraufhin vor die mit Nazis vollbesetzte Ehrentribüne zu stellen und ein kleines Tänzchen aufzuführen. Es war dies einer der berühmtesten Torjubel der deutschen Fußballgeschichte. Am Ende gewann Österreich 2:0.
Sindelar, der kein politischer Aktivist war, lehnte später Sepp Herbergers Berufungen in die großdeutsche Mannschaft ab, profitierte aber vom Anschluss: Er übernahm ein Café von seinem jüdischen Vorbesitzer. Er starb 1939 unter nie ganz geklärten Umständen in seiner Wohnung an einer Kohlenmonoxidvergiftung, zehn Monate nach der Eingliederung Österreichs in das nationalsozialistische Deutsche Reich.
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