Fußball-Patriotismus: Nicht jedem das Seine
Weil ein Wirt in seiner Kneipe keine Trikots duldet, wird er von der "Bild" als größte Spaßbremse Bremens bezeichnet. Das haben Neonazis entdeckt und hetzten nun gegen "linken Gesinnungsterror".
Schwarzrotgold, so weit das Auge blickt: Auf Mützen, an Autos, an Balkonen, in Fenstern – es ist halt Europameisterschaft. Die einen machen da gerne mit, die anderen ignorieren’s gelassen, und manche haben keine Lust auf den fußballverursachten Patriotismus, der alle zwei Jahre das Land überschwemmt.
Zum Beispiel die Bremer Viertelkneipe Rum Bumper’s: Sie zeigt weder Fußball noch Flagge, und die nicht EM-infizierten Stammgäste danken’s ihr. Nachdem die Bild sie aber genau deswegen als „größte Spaßbremse“ der Stadt bezeichnet hat, ist die Kneipe ins Visier von Neonazis geraten.
Ein paar Fußballfans mit Deutschland-Trikots waren nach dem Spiel Deutschland gegen die Niederlande an der Theke des Rum Bumper’s aufgefordert worden, ihre T-Shirts auf links zu ziehen oder die Kneipe zu verlassen. Sie taten letzteres und setzten die Bild in Kenntnis. Die zeigte das Foto eines traurig dreinguckenden, jungen Mannes in Deutschland-Trikot und überschrieb ihren Artikel mit den Worten: „Dieses Lokal ist Bremens größte Spaßbremse“.
Ein Zettel an der Kneipentür weist seit Erscheinen des Artikels darauf hin, dass unter anderem aufgrund „immer wieder auftretenden Streitereien und Diskussionen“ die Gäste „Trikots, Fahnen etc.“ draußen lassen sollen. Und weiter heißt es „Auch wir gucken gern Fußball und nehmen garantiert niemandem den Spaß!“
Die rechte Wochenzeitung Junge Freiheit sieht das anders. Auf ihrer Facebook-Seite hat sie den Bild-Artikel unter der Überschrift „Spaßbremsen, Spießer, Linke“ verlinkt. In den Kommentaren ist von „Volksverhetzung von links aussen“, „Deutschenfeindlichkeit“, von „Vaterlandslosen Gesellen, die eindeutig totalitäre Ansichten vertreten“ und von „Klarer Fall von Gesinnungsterror durch Linksfaschisten“ die Rede. Im rechtsextremen Internetportal „Deutschlandecho“ ist zu lesen, im Bremer Viertel würden „immer wieder Menschen wegen ihrer nicht-linken Gesinnung durch die Strassen gejagt“. In der Regel handele es sich „dabei um gezielte Provokationen der Antideutschen, welche das Viertel als ihr Revier betrachten“. Und das Blog „Islamnixgut“ spricht von „indoktrinierten Stalinisten“.
„Deutschlandfeind“ ist in den Augen der Jungen Freiheit auch die Grüne Jugend. Die hat, so wie schon bei der Fußball-WM vor zwei Jahren, jüngst einen Sticker mit durchgestrichener Deutschlandfahne und dem Schriftzug „Patriotismus? Nein, danke!“ herausgegeben.
„Wir verweigern uns dieser nationalen Symbolik, weil wir uns jeglicher nationalen Symbolik verweigern. Wir wollen das Konzept des Nationalstaats überwinden“, heißt es dazu auf deren Homepage. Die Grüne Jugend verweist auf Wilhelm Heitmeyer, Leiter des Instituts für Konflikt- und Gewaltforschung an der Uni Bielefeld, der im WM-Jahr 2006 die neuen Ergebnisse seiner Langzeituntersuchung zum Thema „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ präsentierte. Aus der geht hervor, dass Nationalismus stets zu „Fremdgruppenabwertung“ führt – und dass diejenigen, die im Rahmen der Studie nach der Fußballweltmeisterschaft befragt worden waren, „nationalistischer eingestellt“ waren als die vorher Befragten.
Der Bremer Landesverband der Jungen Union (JU) findet die Aktion der Grünen Jugend „traurig“ und begrüßt in einer Stellungnahme „ausdrücklich, dass die Menschen in Deutschland ihrem Nationalgefühl Ausdruck verleihen, insbesondere in Bezug auf die Unterstützung der deutschen Mannschaft bei der laufenden Europameisterschaft. Dazu gehört selbstverständlich die Verwendung unserer Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold“.
Dass die im Rum Bumper’s nicht gern gesehen werden, ist für Daniel Buljevic, Landesvorsitzender der JU „Diskriminierung von Fußballfans“. Patriotismus sei schließlich kein Nationalismus. Selbstverständlich dürfe der Wirt sein Hausrecht ausüben, sagt er, „aber trotzdem ist das schade“. Bei der EM gehe es schließlich um die Unterstützung der DFB-Mannschaft: „Mit Werdertrikot wird man dort bestimmt nicht rausgeschmissen!“
In der Bild wird der Rum-Bumper’s-Chef mit den Worten „Wir sind gegen jegliche Darstellung nationaler Symbole. Auch Trikots oder Fähnchen anderer Nationen wollen wir nicht sehen“ zitiert – der taz gegenüber wollte er sich indes nicht mehr zum Thema äußern. Er wolle, so sagte er am Telefon, in dieser Sache nun endlich seine Ruhe haben.
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