Fummeldoofe Klamottenständer

■ Anja Sündermann inszeniert Paul Dukas' „Ariane et Barbe-Bleue“flötig an der Staatsoper

Das Neon-Zeitalter in der Oper ist immer noch nicht vorbei. Leuchtstoffröhren, kreischende Farben von der Sportswear-Palette, gezackte Kulissen aus vergrößertem Staniolpapier und mächtig Kunstnebel ließen die Inszenierung von Ariane et Barbe-Bleue, die Sonntag abend in der Hamburger Oper Premiere hatte, wie die tolle Idee eines New Romantics erscheinen, der die Neunziger komplett im Wave-Café verschlafen hat. Auch die prachtvoll aufgebrezelten Kostüme der vom bösen Blaubart weggesperrten Damenwelt würden einem alt-gewordenen Ultravox-Fan die Begeisterungstränen über das rosa Rüschenhemd kleckern.

Wen will man mit diesem Signalfarbenkitsch über den schlechten Geschmack einer Generation von Künstlern belehren, die ihre Eisdielengemütlichkeit immer noch für eine radikale Antwort auf August Everding hält? Etwa ein Publikum, das in diesem Haus seit mindestens zehn Jahren keine Aufführung mehr gesehen hat, die sich wirklich intelligent und phantasievoll mit der Gegenwart auseinandersetzt? Warum ist es so schwer, die zeitgenössischen Entwicklungen im Theater zwischen Christoph Marthaler, Thirza Bruncken und Alain Platel (um nur drei prominente, aber ergänzbare Exponenten zu wählen) auf eine Operninszenierung zu übertragen? Warum muß eine junge Regisseurin (Anja Sündermann) ihre Inszenierung als eine vor statischer Gestik strotzende Erkrankung mit dem John-Dew-Virus begehen, wo der spärliche darstellerische Radius der Akteure durch eine emsig wirkende, bunte Bühnenmaschinerie erweitert werden muß? Warum sieht ein König Blaubart aus wie ein Außerirdischer aus einem Ed-Wood-Film, wenn er sich dann aber nicht so benehmen darf? Und warum muß eine vor erotischen und psychologischen Metaphern kaum laufen könnende Vorlage in einem kreuzbraven Jugendstil aufgelöst werden, wo die vom Despoten unterdrückten Frauen ganz minnegleich in weißen, langen Kleidern Demut bis zum Heulen verbreiten?

Ganz im Ernst, liebe Frau Sündermann, da war auch New Wave schon weiter. Und auch in der feministischen Diskussion gibt es Zwischenstände, die über Ihre Interpretationslösung dieser Frauengeschichte schon hinaus gedacht haben. Wenn Sie uns heute – natürlich irgendwie getreu der Vorlage von Maurice Maeterlinck und Paul Dukas – wirklich weiß machen wollen, daß die Emanzipation gescheitert ist, dann wäre es doch vielleicht das Allerschlaueste, Sie gründen beim Bauer-Verlag eine neue Frauenzeitung und lassen in Zukunft die Finger von der Oper.

Nicht, daß Ihre männlichen Kollegen das besser könnten, aber wenn eine emanzipierte Frau wie Sie ihre Geschlechtsgenossinnen als fummeldoofe Klamottenständer darstellt und sie völlig unkommentiert Sätze wie „Das Leben kehrt zurück, denn der Wille zu gefallen ist wieder da“im Anblick von scheußlicher und teurer Galagarderobe singen läßt, dann hat man bei uns früher auf dem Schulhof nur knapp feststellen können: Bei der piepts wohl. Bevor Sie nun zum weiblichen Piepmatz im Opernbetrieb werden, der männliche Herrschaftsphantasien von weiblichen Rampensäulen flöten läßt, sehen Sie sich bitte mal (und entschuldigen den oberlehrerhaften Ton) ein wenig bei Ihren Kollegen vom Sprechtheater um und nehmen sich hinsichtlich der Qualität Ihrer Arbeit Ihren Dirigenten Ingo Metzmacher zum Vorbild. Der macht seine Arbeit nämlich gut. Warum? Weil es ihm gelingt, einem 90 Jahre alten Stück Musik den Klang seiner Zeit zu verleihen, ohne seinen Inhalt zu denunzieren.

Darauf kommt es irgendwie an – auch in der Regie, glaubt zumindest

Kees Wartburg