Fugees-Geschwister, Kurvenstars etc.: Exklusivität abseits der Trampelpfade
■ Formschön geschlängelt und gesungen: Ein Abend mit Blandinna Melky Jean und Farel Jean in einer Bar in Mitte
Kommt einem fast wie ein Gruß aus fernster Vergangenheit vor: daß man am Eingang einer Location einen goldenen Klingelknopf betätigen und sich die mehr oder weniger strenge Gesichtskontrolle eines Türstehers gefallen lassen muß. Insbesondere in Mitte, wo inzwischen Transparenz die Mutter allen Szenegebarens ist. Doch die Betreiber des Kurvenstars, einer Mischung aus Bar, Club und „Speiselokal“, sporten gern ein wenig Exklusivität, die wollen ihre Sonderstellung abseits der Trampelpfade in Mitte noch eine Weile bewahren: Der Kurvenstar, nomen est omen, schlängelt sich formschön in einem Haus an der Ecke der Großen und Kleinen Präsidentenstraße, irgendwo im Hinterland des S-Bahnhofs Hackescher Markt, dort, wo Taxis, Prostituierte und Straßenbahnen kommen und gehen, sonst aber niemand.
Und ist es nicht exklusiv, seinen Laden einer Plattenfirma zur Verfügung zu stellen, damit diese ihr neuestes Signing Melky Sedeck vorstellen kann? Da ist zwar erst mal Kratzen am Ohrläppchen angesagt: Melky Sedeck, wer ist das denn nun wieder? Doch die kluge Plattenfirma baut vor und wirbt mit dem großen Bruder von Melky und Sedeck, mit Wyclef Jean, auch bekannt als Mitglied der HipHop-Supergroup Fugees. „Sister & Brother“ haben Blandinna Melky Jean und Farel „Sedeck“ Jean ihr Album genannt. Nicht etwa, weil sie mit ihrem berühmten Bruder spazierengehen wollen, sondern weil sie nun einmal Geschwister sind. Der Rest ist Auslegungssache. Das Album ist nett, aber kein Reißer, ein bißchen R&B, ein bißchen Kirchenmusik, ein bißchen lahm. Groß, kräftig und mächtig ist nur Melkys Stimme, mit der sang sie schon für Desmond Tutu und Bill Clinton Lieder. Sagt Melky. Und auch der Live-Auftritt im Kurvenstar ist nett und unspektakulär. Sie, in schwarzer Kostümierung und einem großen Kreuz um den Hals, gibt sich Mühe, mal Funkenmariechen, mal Lauryn Hill zu sein, er betätigt unauffällig das Keybord. Da erfeut man sich dann bald an der Kurvenstar-Einrichtung, die ist overstyled und nachlässig easy zugleich. Große Spiegel-Bullaugen, weiße Plastiktischchen, rote Kliniksessel, Tapeten mit hellbraunen Mustern, auf dem Klo dunkel- und hellbraune Kacheln, im Vorderraum ein lange Theke, die steil in der Kurve liegt. Irgendwann kommt dann auch Laufpublikum; Leute, die in Ruhe Wässerchen und Cocktails trinken, keinen bestimmten Szenen mehr zuzuordnen sind. Auch ein Anzugsmann, der Sushi ißt und über V.A.G-Vertragsabschlüsse spricht. Unsereins spricht lieber über die Schließung der Galerie berlintokyo Anfang Mai: Nicht weil sie muß, von wegen Gewerbeaufsichtsamt, sondern weil die Galerie-Jungs keine Lust mehr haben, an ihre ökonomischen Grenzen gekommen sind, dem „Nachwuchs“ eine Chance geben wollen: Gründe gibt's wohl so einige.
Der Kurvenstar ist da kein adäquater Ersatz. Der ist vielleicht mehr was für Leute, die außerhalb Berlins eine Unruhe in sich spüren: „Man hat das Gefühl, irgendwas zu verpassen, wenn man nicht hier ist.“ Das hat an diesem Abend eine ehemalige, mittlerweile in Frankfurt lebende Mitschülerin von mir gesagt. Sie ist frei von Szenegetue, will auch nicht „Metropolen“-Bewohnerin werden, meinte diesen Satz aber ganz ernst. Und so ist dann alles doch gar nicht mehr einfach nur selbstverständlich, sondern schön. Gerrit Bartels
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