QUERSPALTE: Füttert die Pauker besser!
■ Zu den Untersuchungen über Lehrerbelastung
Noch einmal: Die Lehrer sind überarbeitet. Nun glaubt es ihnen doch endlich. Sonst hetzen sie uns weiterhin Experten aus der ganzen Republik auf den Hals, um ihr Gejammer mit Statistiken und Untersuchungen zu untermauern. Und die fördern in der Tat Tragisches zutage. Je nachdem, ob ein Bremer Erziehungswissenschaftler oder ein Münchner Arbeitsmediziner am Werk war, schwankt die Lehrerarbeitszeit schon heute zwischen 45,3 und 53,23 Stunden pro Woche. Und unsereiner ruht sich in einer lächerlichen Achtunddreißigeinhalb-Stunden-Woche aus... Sogar sonntags arbeitet der Otto-Normal-Pauker: drei Stunden und eine Minute. Mal ehrlich: Was können zwölf Wochen Urlaub im Jahr da noch ausrichten? Und immerhin basieren alle diese Untersuchungen auf einwandfreien Selbsteinschätzungen.
Die gesundheitliche Verfassung der Lehrer ist desolat. Allein die physische Belastung kostet jeden an jedem Schultag bis zu 4.027 Kilojoule — drei Stücke Schwarzwälder Kirschtorte. Auch die vegetativen Veränderungen im Lehrerkörper sind enorm. Hämmert der Puls schon während des Unterrichts bis zu 110mal in der Minute, rast er in den Pausen nahezu davon. Jeder zweite Lehrer steht unter erhöhtem Herzinfarktrisiko. Die Arbeitsbelastungen betreffen die Füße (»Haltearbeit beim Stehen, Sitzen, Schreiben«), die Wirbelsäule und den Kreislauf. Und dieser Lärm! Bis zu 93 Dezibel Schülergeplärre quält die Lehrerohren in den Pausen. Mehr als 80 Dezibel gelten als gesundheitsschädigend. Deswegen tragen die Arbeiter auf den Rollfeldern Ohrenschützer. Ein übertragbares Modell? Wir sind ungerecht. Schließlich möchten wir uns auch nicht täglich mit plärrenden und mosernden Schülerhorden herumschlagen, die nur darauf warten, mich wieder loszuwerden. Von den geradezu tränentreibenden Klagen der Lehrer in den vergangenen Wochen haben wir trotzdem die Nase voll. Jeannette Goddar
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