■ Für sprachliche Correctness – eine Replik: Deutschland beim Namen nennen
Zugegeben: Das Schwarzrotgold nimmt unangenehm überhand – in Wochenendbeilagen, auf Fußballplätzen und Wahlplakaten. Eingestanden: Dieses um sich greifende Gehabe des „Wir sind wieder wer“, das Kohl und Kinkel so aufdringlich vorexerzieren, ist ziemlich unappetitlich. Ja, es deutschtümelt allenthalben, an Jahrestagen konzentriert. Die deutsche Linke, die aus guten Gründen ein gebrochenes Verhältnis zu Deutschland hat, leidet in diesen Tagen besonders. Trotzdem, ein bißchen mehr souveräne Gelassenheit tut not.
Auch im Umgang mit der Sprache. Nüchtern betrachtet, ist es nicht nur seltsam, sondern auch arrogant, im Alltag von der „Bundesrepublik“ zu sprechen und Deutschland zu meinen – als ob es jenseits der deutschen Grenzen, etwa in Österreich oder Mexiko, keine Bundesrepubliken gäbe. Schließlich sagen wir auch nicht die „Monarchie“ und meinen Schweden. Auf jeder französischen Briefmarke steht zwar „République française“ und auf jedem italienischen Strafzettel „Repubblica italiana“, doch käme kein Franzose oder Italiener auf die Idee, in der „Republik“ zu sagen, wenn er sein Land, Frankreich oder Italien, meint.
Der Ursprung der Malaise ist bekannt. Seit der Romantik ist der Begriff Deutschland mit nationalistischen Konnotationen belastet, dann wollte das wilhelminische Deutschland auch einen Platz an der Sonne haben, und schließlich errichtete Hitler sein Großdeutschland auf den Trümmern Europas. Doch erst nach dem Krieg wuchs sich das Problem zu einer linguistischen Kalamität aus: Adenauers Teildeutschland maßte sich an, ganz Deutschland zu repräsentieren, und stellte damit die Legitimität der DDR a priori infrage. Der Begriff Deutschland wurde von der Rechten besetzt. Zwar sprach man locker von Nord- und Südvietnam, von Nord- und Südkorea, von Nord- und Südjemen, aber die Wörter West- und Ostdeutschland gingen nicht über die Zunge, denn ob der Osten Deutschlands in Thüringen oder in Ostpreußen liegt, war umstritten. So zog man sich – hüben wie drüben – auf den Begriff der Staatsform zurück, um den Staat selbst zu bezeichnen. Auf der einen Seite schwindelte man und nannte eine Diktatur demokratische Republik, auf der andern hielt man am Wort Deutschland fest und wehrte sich dagegen, daß es im Kürzel BRD verschwindet.
Spätestens nach dem Fall der Mauer und der Vereinigung der beiden deutschen Staaten gibt es keinen Grund mehr, Worte wie Deutschland und deutsch zu meiden. Der Unmut über die Art und Weise der Herstellung des neuen deutschen Staates ist mehr als berechtigt. Doch hilft es wenig, ihn im verklemmten Umgang mit Begriffen auszudrücken. Sprechen wir also künftig nicht mehr von der Bundesrepublik, dem Bundesaußenminister und den bundesrepublikanischen Verhältnissen, sondern reden wir lieber von Deutschland – und diskutieren die Probleme konkret, vom deutschen Außenminister – und (sc)hauen ihm auf die Pfoten, und den deutschen Verhältnissen – und bringen sie zum Tanzen! Thomas Schmid
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