: Für immer schäbig?
■ Seit fast 30 Jahren fordern Bremer Bibliothekschefs eine neue Zentrale, jetzt werden sie offenbar erhört / Ein Zustandsbericht
München hat eine besonders schöne, Köln hat auch eine besonders schöne, und Bremen sollte eigentlich schon längst wenigstens eine zweckmäßige bekommen haben: „Das erste, was hierher muß“, forderte die Ex-Leiterin der Bremer Stadtbibliothek, Martha Höhl, schon 1974, „ist eine neue Zentralbibliothek.“ Die übrigens schon von ihrem Vorgänger Werner Mevissen übernommene Forderung ist bis heute aktuell, weil bis heute nichts geschehen ist und sich mit Barbara Lison die inzwischen dritte DirektorIn nichts sehnlicher wünscht, als endlich aus der Pseudobibliothek am Schüsselkorb auszuziehen.
Doch jetzt kommt offenbar Bewegung in die Sache: Man munkelt, die große Koalition will noch vor der Bürgerschaftswahl Anfang Juni eine Entscheidung über den Standort der neuen Zentralbibliothek fällen. Man munkelt aber auch die Empfehlung hinterher, jetzt besser nichts darüber in die Zeitung zu schreiben. So kompliziert ist das Ganze inzwischen, und so komplex sind die Interessen, daß das Hauptproblem aus dem Blickfeld gerät: „Unsere Zentrale am Schüsselkorb ist die schäbigste, kleinste, unzulänglichste Bibliothek in ganz Deutschland“, sagte Martha Höhl schon im Januar 1992 im taz-Gespräch. Ihren Traum, die neue Zentrale als Direktorin wachsen zu sehen, hat Höhl nicht erlebt. Sie ging bald darauf in Pension.
Dabei ist die Zentralbibliothek am Schüsselkorb mit ihren 390.000 NutzerInnen (1997) eine attraktive Mieterin. Seit sich das Projekt „Neue Zentrale“ an mehr Stellen wiederfindet als nur auf dem Forderungskatalog von BibliotheksdirektorInnen, buhlen gleich mehrere Investoren um die Bücherei. Während die damalige Landesregierung noch 1990 überlegt hat, das Parkhaus Katharinenkloster abzureißen und dort eine neue Bücherei zu bauen, konzentriert sich das muntere Bibliotheksplanspiel inzwischen auf zwei Standorte: Das Polizeihaus am Wall und das leerstehende Postamt 5 am Hauptbahnhof. Als Investoren stehen in beiden Gebäuden alte Bekannte bereit, wenn es um die Vergabe öffentlicher oder halböffentlicher Aufträge geht: Am Wall ist es die Firma Zechbau (neues Polizeihauptquartier in der Vahr, Probebühnen Theater), im Postamt 5 die Weser-Wohnbau des Manfred Zimmermann (CinemaxX).
In der vergangenen Woche haben sich Kultursenatorin Bringfriede Kahrs (SPD) und ihre Beamten die Angebote angesehen. Auch wenn Öffentlichkeitsarbeit zur Zeit noch nicht vorgesehen ist, wird das Polizeihaus unter den Koalitionären offenbar favorisiert. Die CDU hat es im folgenden Wortlaut in ihr Wahlprogramm geschrieben: „So treten wir zum Beispiel für eine Fortentwicklung der ,Kulturmeile Innenstadt' durch eine entsprechende Nutzung des jetzigen Polizeihauses (unter anderem durch die Zentralbibliothek) ein, wollen aber auch eine kulturelle (Teil-) Nutzung des ehemaligen Postamts 5 und des Wasserwerks („umgedrehte Kommode“) eingehend prüfen (Hervorhebungen d. Red.).“ Das Problem dabei: Die Kosten – direkt oder indirekt durch Miete – sind im Polizeihaus höher als im Postamt und der Kulturetat nicht hoch genug. Und damit kommt mehr Personal ins Spiel.
So ist das CDU-geführte Wirtschaftsressort dem Vernehmen nach bereit, Geld dazuzulegen. Eine boomende Bibliothekszentrale könnte die Steinwüste zwischen Glocke und den Museen sowie dem Theater am Ostertor beleben. Aber im Gegensatz zum Wirtschaftsressort hat das ebenfalls CDU-geführte Finanzressort ein besseres Gedächtnis: Da kursiert noch das Schlagwort „Vier-plus-eins-Konzept“. Also: Eine neue Zentrale gibt es nur, wenn von den rund 20 Bibliotheken weitere Büchereien geschlossen werden und das Bremer Bibliothekswesen auf vier Bezirksbüchereien plus Hauptstelle konzentriert wird. Zwar sind in dieser Legislaturperiode Bibliotheken geschlossen (und von Initiativen kurzerhand als „Statt-Bibliotheken“ wieder eröffnet) worden, doch vom Vier-plus-eins-Konzept ist Kultursenatorin Kahrs noch weit entfernt. Aus dem Finanzressort heißt es folglich: „Bringfriede Kahrs hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht.“ Andererseits: Die Verantwortung für weitere Bibliotheksschließungen dürfte vor der Bürgerschaftswahl auch die CDU nicht übernehmen. Und das selbst dann nicht, wenn zuerst eine Entscheidung über die neue Zentrale fällt. Im CDU-Wahlprogramm fehlt das Konzept „Vier plus eins“ konsequenterweise.
Heute lädt die Stadtbibliothek übrigens zur Vorbesichtigung eines Neubaus ein: Sie eröffnet mit einem Tag der offenen Tür am kommenden Sonntag ihre neue Bezirksbibliothek West. ck
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