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Für grundlegende Änderungen ohne Seminarsozialismus -betr.: Interview "Die PDS steht mir näher als die SPD", taz vom 5.11.94

Betr.: Interview „Die PDS steht mir näher als die SPD“, taz vom 5.11.

Es gibt einige Punkte, die der Klärung bedürfen.

Zunächst meine Position zur PDS und SPD. Die tagespolitischen Forderungen der PDS stimmen oftmals mit denen der Jusos überein, was man/frau von der SPD-Politik nicht sagen kann. In soweit stehe ich der PDS näher als der SPD.

Die Mitarbeit/Mitgliedschaft in einer Partei wird aber von mehreren Faktoren bestimmt, unter anderem von ihrer gesellschaftlichen Basis, ihrem Grundsatzprogramm, ihren historischen Wurzeln. Unter den gegenwärtigen Voraussetzungen der bundesrepublikanischen Parteienlandschaft ist die SPD die Partei, in der ich am ehesten für meine Positionen werben und um ihre Durchsetzung kämpfen kann.

Nun zu der Frage, was habe ich mit Marx zu tun? Marx hat den wissenschaftlichen Sozialismus begründet, und von diesem bin ich überzeugt. Eine große Theoretikerin bin ich nicht, die grundlegenden Ideen von Marx bis Trotzki habe ich sehr wohl verstanden und außerdem bedarf es keines „Seminarsozialismus“, um grundlegende politische Veränderungen zu bewirken.

Marximus ist immer in erster Linie eine konkrete Handlungsanleitung gewesen. Seit vielen Jahrzehnten versuchen sich ReformistInnen unterschiedlichster Färbung daran, Probleme wie Hunger, Armut, Arbeitslosigkeit und Umweltzerstörung zu lösen. Erreicht haben sie für den größten Teil der Menschheit das Gegenteil.

Um die Probleme in unserer Gesellschaft lösen zu können, brauchen wir eine grundlegend andere Gesellschaftsordnung, eine sozialistische Demokratie, in der die arbeitenden Menschen demokratisch bestimmen, was und wie produziert wird. Es geht nicht mehr um Profit, sondern es wird nach den Bedürfnissen der Menschen produziert.

Sozialismus bedeutet auch, daß es keine Lobby der Chemie-, Automobil- oder Rüstungskonzerne gibt, die heute ihre Macht nutzen, um auf Kosten von Arbeitsplätzen, der Gesundheit und der Umwelt Profit zu machen.

Eine planmäßige Produktion kann nur funktionieren, wenn Entscheidungen demokratisch getroffen und kontrolliert werden. Alle Personen in Leitungsfunktionien in Produktion und Verwaltungen, müssen jederzeit wählbar und abwählbar sein und dürfen nicht mehr verdienen als einen durchschnittlichen Facharbeiterlnnenlohn und keine weiteren Privilegien genießen. Claudia Weigelt, Juso-Landesvorsitzende

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