Für Arbeit und höhere Löhne: Generalstreik in Frankreich
Landesweit wollen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes und privater Betriebe für Arbeitsplätze und höhere Löhne demonstrieren. Die Mehrheit der Franzosen unterstützt die Proteste.
"Wegen Generalstreik verschoben" steht auf den Absagen der Veranstaltungen, die für den Donnerstag, den 19. März, geplant waren. Es wird der zweite nationale Streiktag dieses Jahres. Er betrifft nicht nur die öffentlichen Dienste, sondern auch zahlreiche private Unternehmen.
Sämtliche Gewerkschaften und alle Organisationen der Linken rufen dazu auf. Sie verlangen Arbeit und höhere Löhne. 213 Demonstrationen überall im Land sind angemeldet - das sind deutlich mehr als am 29. Januar. Größer als im Januar ist auch die populäre Zustimmung zu der Protestbewegung. Das Meinungsforschungsinstitut Ifop hat Ende letzter Woche ermittelt, dass 78 Prozent der Bevölkerung den Streik für richtig halten: mehr als drei von vier FranzösInnen. Am schwierigsten für Staatspräsident Nicolas Sarkozy ist, dass auch eine Mehrheit von UMP-SympathisantInnen (53 Prozent) den Streik befürwortet.
Als Erste eröffneten Beschäftigte der Total-Raffinerie von Gonfreville lOrcher bei Le Havre den Streik. In einem von 80 Prozent der Belegschaft unterstützten 48-Stunden-Ausstand drosselten sie am Mittwoch die Produktion auf das Minimum. Der französische Konzern Total, der 2008 Rekordgewinne in Höhe von 13,8 Milliarden Euro machte, hat im Februar veröffentlicht, dass er 555 Arbeitsplätze in Frankreich vernichten will. Dieser Plan in einem Konzern, der floriert wie nie, hat die Sympathie für die Proteste verstärkt.
Ebenfalls zur Streikbereitschaft beigetragen haben Pläne für massive Stellenstreichungen und Werkschließungen, die in den letzten Tagen bei Continental und Sony bekannt wurden, sowie die Perspektive einer gravierenden Zunahme der Arbeitslosigkeit im Jahr 2009.
Der sozialdemokratische Expremier Laurent Fabius und SoziologInnen diagnostizieren ein "Klima sozialer Revolte" in Frankreich. Ein kleiner Funke genüge, um Revolten auszulösen. Der historische Chef der französischen TrotzkistInnen, Alain Krivine, beschreibt dasselbe Phänomen als "sozial explosive Situation". Ein Anzeichen, das in die Richtung von Revolten weist, sind die häufiger werdenden spontanen Streiks, Geiselnahmen von ChefInnen und andere radikale Antworten auf Entlassungen und Werkschließungen.
Zur Popularität der Protestbewegung haben auch die Streiks auf den Antilleninseln Guadeloupe und Martinique beigetragen. In beiden Fällen führten sie zu einer Erhöhung der Niedriglöhne um 200 Euro.
Am nationalen Streiktag wollen sich die DemonstrantInnen jedoch nicht nur um die Menschen am unteren Rand der sozialen Hierarchie kümmern, sondern erstmals auch um die anderen. Mit dem Slogan "Rettet die Reichen" wollen sie sich der "Opfer von Madoff und Kerviel" annehmen, die von "Gänseleberpastete abhängig" seien und darunter litten, dass "Reichtum der Sympathie schadet". In einem Flugblatt verlangt das Kollektiv "Sauvonslesriches" nicht nur die Anhebung der Mindestlöhne, sondern auch die Einführung eines europäischen Maximaleinkommens in der Größenordnung des 30-Fachen des Durchschnittseinkommens.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus