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Fünfprozenthürde im Wahlpoker

■ DDR-Regierung delegiert Entscheidung an Bonner Koalition / Fünf Prozent länderbezogen oder gesamtdeutsch mit Listenverbindungen / CSU will langfristige Regelung / SPD: Fünf Prozent überall

Bonn/Ost-Berlin (dpa) - Zwei Modelle standen gestern in den Koalitionsrunden von Bonn und Ost-Berlin vor allem noch zur Diskussion: eine länderbezogene Sperrklausel und eine Fünfprozenthürde für das gesamte Wahlgebiet mit der Möglichkeit von Listenverbindungen. Sie würde es vor allem der CSU erlauben, der DDR-Schwesterpartei DSU zu einem Einzug in das Gesamtparlament zu verhelfen. Dabei zeichnete sich ab, daß eine bundesweite Sperrklausel mit Listenverbindungen als Kompromiß herauskommen könnte.

Neuer Dissens war unmittelbar vor der Bonner Koalitionsrunde dadurch aufgekommen, daß die CSU eine langfristige Regelung für Listenverbindungen wünscht. Dagegen gehen CDU und FDP davon aus, daß eine solche Ausnahme lediglich für die erste gesamtdeutsche Wahl gemacht werden soll.

Unterstützt von entsprechenden Äußerungen von CSU -Generalsekretär Erwin Huber, erklärte CSU-Landesgruppenchef Wolfgang Bötsch, seine Partei würde einer einheitlichen Fünfprozentklausel und der Möglichkeit von Listenverbindungen zustimmen, wenn es hier einen breiten Konsens gebe. Eine solche Regelung müßte aber für immer im Wahlgesetz verankert werden.

Dagegen meinte der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Alfred Dregger, ein besonderer Wahlmodus solle nur für die Wahl zum ersten Gesamtparlament gelten. Danach sollte das alte Wahlgesetz wieder in Kraft treten. Im Prinzip befürwortet Dregger eine länderbezogene Fünfprozentklausel. Er sei aber grundsätzlich auch für andere Regelungen offen. Der stellvertretende FDP-Fraktionschef Hermann-Otto Solms setzte sich für eine einheitliche Fünf-Prozent-Sperrklausel ein.

Während die DDR-CDU ebenfalls eine länderbezogene Fünfprozenthürde favorisiert, verlangt die SPD eine auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Sperrklausel. Die Grüne Partei der DDR hat sich für Listenverbindungen ausgesprochen. Die bundesdeutschen Grünen wollen bei dieser Möglichkeit gemeinsam mit den im Bündnis 90 zusammengeschlossenen Bürgerrechtsbewegungen antreten, kündigte ihr Bundesvorstandssprecher Christian Ströbele im Saarländischen Rundfunk an. Fraktionssprecherin Antje Vollmer plädierte dagegen für die länderbezogene Sperrklausel.

Während das Ostberliner Kabinett am Vormittag vom Verhandlungsführer der DDR, Staatssekretär Günther Krause (CDU), über den Stand der Verhandlungen mit Bonn zum Einigungs- und Wahlvertrag unterrichtet wurde, tagte am Mittag im Bundeskanzleramt der Kabinettsausschuß Deutsche Einheit. Dem Vernehmen nach ging es auch hier vor allem um letzte Vorbereitungen für die am Mittwoch beginnende zweite Verhandlungsrunde zum Einigungsvertrag in Ost-Berlin.

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