Durchs Dröhnland: Fünf Trommler
■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
In Berlin ist man gern sehnsüchtig. Die Fuel Allsound Family tupft Gitarren, Banjo und Steel-Gitarre behutsam an, der Schlagzeuger kehrt sanft mit dem Besen noch den letzten Dreck weg. Alles scheint möglich, wenn die Stimmen einsetzen und die Grenzen zwischen Pop und Country verschmelzen, als wären John Lennon und Hank Williams gemeinsam wiederauferstanden. Möglicherweise wurden sie ja im gleichen Sarg beerdigt. Trotz ihres martialischen Namens sind die countrynäheren Blood on the Honky Tonk Floor noch ein wenig vorsichtiger. Ihre unaufdringliche Zurückhaltung grenzt schon fast an Easy Listening, als würden in einer schummrigen Bar in Texas ein paar Rednecks gemütlich bunte Cocktails schlürfen.
Heute, 23 Uhr, Roter Salon, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte
Im letzten Sommer fanden sich fünf Trommler aus fünf Ländern und trommelten. Damit es nicht so langweilig würde, begannen sie, im Chor zu singen. Les Ton Ton's verbinden mal die Rhythmik karibischer Steel-Drums mit afrikanischer Melodik, mal nehmen sie das Tempo zurück und fügen ein paar Jazzschleifen ein. Tanzboden und Ohrensessel verbinden sich sehr schön. Außerdem beim „Percussion-Festival“: Obroni Tun Tum, Roots Amamomo, Seneganbigha und Souleyman Toure.
Heute, 22 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg
Das Neue Brot waren eine unter vielen Hoffnungen der Hamburger Schule. Nun sind sie nicht mehr. Während der Sänger sich inzwischen bauchnabelfixiert einen singt, hat der Rest als Egoexpress die Freude am gesanglosen Programmieren entdeckt. Da schubbern die Sequenzer, fiepen die Synthies, schaben die Effekte. Gern wählen sie die piepsigen Tonlagen. Das Ganze kriegt dadurch etwas reichlich Kindisches. Andererseits scheint es aus der Steinzeit des Synthie-Pop zu kommen. Vor allem ist es sehr lustig.
Heute, 23 Uhr, Waschhaus, Schiffbauergasse 1, Potsdam
Sängerin Lisa Gerrard hat vor kurzem eine Solo-Platte veröffentlicht, die in gewisser Weise den zukünftigen Weg ihres Hauptbroterwerbs Dead Can Dance vorgezeichnet hat. Die Kulturen der Welt sind endgültig zum Selbstbedienungsladen geworden. Das ist schon okay, solange es so behutsam wie auf „Spiritchaser“, der neuen Veröffentlichung von Gerrard und Brendan Perry, geschieht. Diesmal haben sie sich vor allem afrikanische Klänge und Rhythmen geholt und sie in die bekannte totentanzende Kühlschrankgemütlichkeit gepackt. Glücklicherweise ist das eine oder andere Geräusch verwirrend genug, um einen bei Laune zu halten.
24.6., 20 Uhr, Tempodrom, In den Zelten, Tiergarten
Sie sagen, sie würden Blur mit The Who und den Sex Pistols verbinden. Abgesehen davon, ob man so was wirklich hören möchte, mag es zwar sympathisch sein, daß Jackethive ihr Epigonentum so frank und frei zugeben, aber wo bitte sollen da die Sex Pistols sein? Und wo The Who? Blur ist offensichtlich, aber die stammen ja auch nur von den Beatles ab. Also covern Jackethive „Lady Madonna“, entfernen einen Großteil der Süßlichkeit, und schon wieder führen alle Wege nach Rom. Auch bei diesem Berliner Quintett, das nett die Orgel orgeln läßt, damit es nicht so auffällt, daß die Gitarren eher orientierungslos durch die Gegend schrammeln. Nichtsdestotrotz einer der souveränsten einheimischen Versuche der letzten Zeit, erst gar nicht so zu tun, als könne man Pop neu erfinden.
24.6., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36-39, Prenzlauer Berg
Obgleich die Musiker noch in ihren alten Bands weiterarbeiten, werden Six Feet Under als Supergroup verkauft. Der Sänger kommt von Cannibal Corpse, der Gitarrist war mal bei Obituary, der Bassist bei Death und Massacre, nur der Trommler hat noch keine Deathmetal-Meriten vorzuweisen. Hier bekommt man für sein Geld, was man verdient hat, nicht zuletzt deshalb, weil Chris Barnes sowieso den Kindermördergesang mit etabliert hat und einer der ganz wenigen ist, bei dem dieses Röhren in tiefsten Tonlagen nicht völlig aufgesetzt und lächerlich klingt. Während die Veteranen schnell zur Sache kommen, wenn sie einen schon mit dem 40tonner überrollen, tun Eternal Dirge so, als wäre ein Volvo wesentlich ungefährlicher. Schnüsseln rum, fusseln da noch ein Break und da noch einen Riff hin, als hätten sie ein Problem damit, daß alle Welt glaubt, Metaller seien doof. Die hier sind's auf jeden Fall.
26.6., 21 Uhr, Huxleys Junior, Hasenheide 108, Neukölln
Noch einer, der vorläufig Abwechslung außerhalb seiner angestammten Zusammenhänge sucht: Jean-Luc De Meyer war mit Front 242 einer der Pioniere der belgischen Electronic Body Music. Mit Cobalt 60 entkommt er dem Reich, in dem allein die Beats per Minute zählen, und bewegt sich ausdrücklicher hin zu den Industrial-Wurzeln von EBM. Der Aufbau der Songs erinnert manchmal gar an Biker-Rock, als hätte sich Meyer mit Leather Nun getroffen.
27.6., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg
Die Reste von Lynyrd Skynyrd behaupten dreist, daß man 1987 nur zufällig zusammengekommen sei, um das zehnjährige Jubiläum des Flugzeugabsturzes zu feiern, und halt gleich zusammenblieb. Auch wenn vom Original nur noch 3/7 dabei sind und der verblichene Sänger durch seinen Bruder ersetzt wurde, dödeln die Soli immer noch unendlich, der Boogie rollt, der Whiskey fließt, und „Sweet Home Alabama“ können sie auch.
27.6., 20 Uhr, Arena, Eichenstraße 4, Treptow Thomas Winkler
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