Führungswechsel bei Vattenfall: Das neue Fossil
Der staatseigene schwedische Atomkonzern kündigt einen Führungswechsel an: Der Norweger Löseth soll die Krise überwinden. Der war vorher beim Kohlekonzern Nuon.
Mit einer neuen Führung versucht Vattenfall sein ramponiertes Image aufzubessern. Am Montag präsentierte der schwedische Staatskonzern den 51-jährigen Norweger Öystein Löseth als Nachfolger des bisherigen Konzernchefs Lars G. Josefsson. Dem hatte die Regierung in Stockholm Ende der vergangenen Woche das Vertrauen entzogen, als sie offenbar einen Sündenbock für eine verfehlte Geschäftspolitik suchte.
Der neue Chef stammt aus den eigenen Reihen: Zuletzt leitete Löseth die niederländische Nuon Energy, ein Unternehmen, das zur Hälfte Vattenfall gehört und dessen Stromproduktion auf einem einen noch größeren Anteil von fossilen Energieträgern beruht als Vattenfalls.
Kritiker wie der energiepolitische Sprecher der schwedischen Grünen, Per Bolund, monierten aber nicht nur, dass Nuon zu 95 Prozent Strom aus Kohle und Erdgas erzeugt: "Der neue Chef löst keines der Vattenfall-Probleme", so Bolund. "Die Regierung versucht sich mit dem Hinauswurf Josefssons nur aus der Verantwortung zu stehlen." Diese Einschätzung teilt die Mehrheit der Kommentatoren in den schwedischen Medien.
Auf dem Papier fordert Stockholm, dass sich das Staatsunternehmen "an die europäische Spitze bei der Umstellung auf grüne Stromproduktion" setzen soll. Tatsächlich erzeugt Vattenfall aber nur zu 20 Prozent Energie aus Wind- oder Wasserkraft.
Löseth, der am Sonntag auf einer eilig einberufenen Krisensitzung des Vattenfall-Aufsichtsrats zum neuen Chef bestimmt wurde, soll noch einige Monate mit Josefsson zusammenarbeiten, bevor er die Führung endgültig übernimmt. Er wolle sich bemühen "das Vertrauen in die Marke weiter aufzubauen", war bei einer Pressekonferenz am Montag die einzige konkrete Äußerung zu der Frage, welche Linie er mit Vattenfall verfolgen will.
Vattenfall, das jährlich Milliardengewinne in die Staatskasse fließen lässt, hatte in den vergangenen Jahren regelmäßig Negativschlagzeilen gemacht - von der Braunkohleverstromung in Deutschland bis zu den Sicherheitsdefiziten in deutschen und schwedischen Atomkraftwerken. Und ebenso regelmäßig hatte sich die Regierung in Stockholm von der Konzernführung distanziert - ohne allerdings deutlich klarzumachen, welche Geschäftspolitik das Staatsunternehmen denn eigentlich führen solle. Schon vor zwei Jahren kündigte die zuständige Wirtschaftsministerin Maud Olofsson neue "Richtlinien" an, erlassen sind diese bis heute nicht.
Olofsson ist nun selbst so in die Kritik geraten, dass Rücktrittsforderungen laut wurden. Zuletzt blamierte sie sich, als sie nicht wusste, dass Vattenfall nach deutschem Recht für einen möglichen Unfall im deutschen Atomkraftwerk Krümmel haften müsste - und erklärte, es sei "inakzeptabel, dass schwedische Ressourcen für ein eventuelles Unglück in Deutschland" herhalten sollten. Am Montag musste ihr Staatssekretär das dementieren: Natürlich trage Vattenfall auch das volle Haftungsrisiko für seine deutschen Atomanlagen.
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