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FührungskriseHSV taumelt in die Saison

Zwei Wochen vor Trainingsbeginn feuert der Hamburger Sportverein seinen Sportchef Dietmar Beiersdorfer und leitet einen Systemwechsel ein. Künftig heißt es: Alle Macht dem Vorstands-Chef.

So schnell kanns gehen im Fußball: Dietmar Beiersdorfer (l.) verblasst hinter Boss Bernd Hoffmann (M.). Trainer Bruno Labbadia wird sich Gedanken machen, wo er gelandet ist. Bild: dpa

In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch, kurz nach 23 Uhr, verkündete Aufsichtsrats-Chef Horst Becker die Entscheidung: Der Hamburger Sportverein trennt sich von Sportchef Dietmar Beiersdorfer. Sieger in dem von Bernd Hoffmann provozierten Machtkampf ist Bernd Hoffmann, der Vorstandsvorsitzende des HSV.

Beiersdorfer hatte seine Haltung in einer gut belegten und leidenschaftlichen Stellungnahme begründet, die Aufsichtsräte entschieden dennoch gegen ihn.

"Der gesamte Aufsichtsrat bedauert diese Entscheidung sehr. Wir wünschen Dietmar Beiersdorfer alles Gute für die Zukunft und bedanken uns bei ihm für die geleistete Arbeit", sagte Becker nach der Sitzung im an der Alster gelegenen Restaurant "Insel" von Multimillionär und Aufsichtsrat Ian Karan, seit seiner Unterstützung für Ronald B. Schill in Hamburg umstritten.

"Didis" Bilanz

Als Dietmar Beiersdorfer Ende 2002 mit der Arbeit begann, bestand die Scouting-Abteilung des Hamburger SV aus einer Pappschachtel mit ein paar Videokassetten, eine systematische Nachwuchsarbeit gab es nicht.

Heute hat der HSV 25 Nationalspieler im Jugendbereich, es gibt das HSV-Lab, in dem die Trainingsdaten der Spieler ausgewertet werden, und über 20 Scouts, für den Nachwuchs weitere fünf.

In den sieben Beiersdorfer-Jahren verbesserte der HSV sein Spielniveau und war am Ende der Saison nie schlechter als Rang acht. In der vergangenen Saison schaffte es die Mannschaft ins Halbfinale des Uefa- und DFB-Pokals, in der Bundesliga landete der HSV auf Platz fünf.

Der Marktwert der Mannschaft liegt bei geschätzten 120 Millionen Euro, Beiersdorfer gelang die Verpflichtung von Spielern wie Paolo Guerreo, Marcell Jansen, Nigel de Jong, Ivica Olic, Mladen Petric, Piotr Trochowski und Rafael van der Vaart

Mit dieser Entscheidung werden die von Beiersdorfer beklagten Kompetenzüberschreitungen Hoffmanns nachträglich gebilligt. Beiersdorfer, satzungsgemäß für Lizenzspielerbereich und Nachwuchsarbeit verantwortlich, war von Hoffmann mehrfach in einer Weise brüskiert worden, die den kolportierten Zwist um die Bewertung der Saison bestenfalls vordergründig bedeutend erscheinen lässt: Während Beiersdorfer mit zwei Halbfinals und der Europa-League-Qualifikation zufrieden war, zeigte sich Hoffmann enttäuscht, beklagte "mangelnde Leidenschaft".

Hoffmann soll etwa von den Leitern der Abteilungen Scouting und Nachwuchs, die er öffentlich als "Geldvernichtungsmaschine" diskreditierte, verlangt haben, künftig direkt seinem Assistenten Stephan Hildebrandt zu berichten. Dieser war vor 2008 auf Wunsch von Beiersdorfer als Chef der Nachwuchsarbeit abgelöst worden.

Hoffmann hatte, wie Spiegel Online berichtet, von einem Mitarbeiter der Nachwuchsabteilung verlangt, über Nacht einen umfangreichen Fragenkatalog zu beantworten, in dem es um eine Effizienzsteigerung in den kommenden Jahren ging. Alles ohne Wissen Beiersdorfers.

Immer wieder hatte Hoffmann versucht, Entscheidungen hinter dem Rücken des Sportchefs zu fällen, Termine ohne ihn festzulegen - auf Tage, an denen Beiersdorfer im Ausland potenzielle Neuzugänge beobachtete.

Beiersdorfer zog die Reißleine und bat den Aufsichtsrat um Klärung. Die kam prompt. Der Aufsichtsrat, von Wirtschaftskapitänen dominiert, entschied auf typisch hanseatische Weise: Hoffmanns Zahlen stimmen. Das gab den Ausschlag. Beiersdorfers Beitrag dazu - etwa die enormen Transfererlöse, die ihm den Spitznamen "Dukaten-Didi" eintrugen - spielt keine Rolle.

"Wir müssen uns nun auf die neue Saison konzentrieren", forderte Becker und sprach dem Restvorstand aus Hoffmann, Katja Krauss und Oliver Scheel das "volle Vertrauen" aus, in der Übergangszeit die nötigen Schritte zu planen. Nötig sind einige, denn für die in sieben Wochen beginnende Saison ist noch kein Transfer fix. "Für den HSV ist es eine unruhige Phase, die wir nun mit aller Kraft zügig überstehen müssen", so Becker.

Aus dem "zügig" wird wohl nichts werden, denn aus den Abteilungen, für die Beiersdorfer zuständig war, ist zu hören: "Wenn Beiersdorfer geht, dann nicht alleine." Es gibt Mitarbeiter, die gar nicht erst nach Hamburg gezogen sind, weil sie auf den Ausgang des seit längerem schwelenden Konflikts im Vorstand warten wollten.

Hoffmann, dessen Vertrag bis 2011 läuft, plant indes, den nächsten Sportchef unterhalb des Vorstands anzusiedeln. Diplom-Kaufmann Hoffmann, der nach seinem Studium an der Uni Köln bei der Universum Film AG und später beim Sportrechtevermarkter Sportfive tätig war, zuletzt als Deutschland-Chef, will künftig auch in sportlichen Belangen das letzte Wort haben. Mal sehen, wer Lust hat, unter ihm den Sportchef zu geben.

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8 Kommentare

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  • D
    Dose

    "Die Taz versucht hier einseitig Hoffmann und den AR zu diskreditieren und in eine rechte Ecke zu stellen. Der Schuldige am Konflikt steht für die Taz schon von vornherein fest. Man könnte glatt meinen, der Artikel wäre nicht von einem professionellen Journalisten, sondern von einem Supporters Club Mitglied geschrieben worden."

     

    Ist ein diktatorisch anmutendes Bestreben seitens Hoffmanns nicht "rechts"? Sind alle SC-Mitglieder gleich? Warum wurde dann von SC-Mitgliedern ein 100%iger Pro-Hoffmann Aufsichtsrat gewählt? Warum werfen sie nicht weiter Bierbecher in der Nord auf kritische Fussballfans bevor sie solche unfundierten Kommentare schreiben?

  • K
    klaus42

    Danke an Urgestein,

     

    für die sehr gute Schilderung der Machenschaften des Herrn Hoffmann.

    Jetzt kann man auch nachvollziehen

    was da für Ränkespiele stattfinden.

    Hoffentlich findet sich kein Mensch,der sich den Job unter diesem

    Profilneurotiker antun möchte.

     

    Was rollt da auf Bruno Labbadia zu ?

    Konnte der sich nicht im Gespräch mit Beiersdorfer, von Fussballer zu Fussballer , die richtigen Informationen zu dieser unerträglichen Allmacht des Herrn Hoffmann einholen und dann auf den HSV verzichten ?

     

    Armer HSV, wo führt das hin mit diesem Allmächtigen und einem Aufsichtsrat der eigentlich Komplicengruppe heissen muesste.

    Jetzt versteh ich auch, warum Martin Jol so überraschend geflüchtet ist.

  • U
    Urgestein

    Nicht der Artikel ist mies, lediglich die Unrichtigkeiten von "Frank" sind es.

     

    Denn "die Medien" berichten doch sehr unisono, dass Hoffmanns fortgesetzte Kompetenzüberschreitungen trotz fehlenden fachlichen Hintergrunds und das unglaublich dilettantische Vorgehen des Aufsichtsrates die derzeitige Krise beim HSV herbeigeführt haben.

     

    Rückblende:

     

    Schon vor einem Jahr befand sich der Vorstand in einer ganz ähnlichen Lage. Auch damals versuchte Hoffmann zunehmend am sportlichen Leiter vorbei in dessen Verantwortungsbereich herumzupfuschen. Auch damals musste der Aufsichtsrat als Vermittler angerufen werden, weil sich Herr Hoffmann nicht mehr einbremsen liess und eine für den Verein äußerst schädliche Eigendynamik zu entwickeln begann. Der Aufsichtsrat verabschiedete daraufhin eine modifizierte Vorstandssatzung, die den beiden Kontrahenten ihre Aufgabenbereiche eindeutig und unmissverständlich zuwies.

     

    Im Frühjahr 2009 standen dann 8 der 13 Aufsichtsratsposten zur Neu- bzw. Wiederwahl an. "8:0 für Hoffmann" titelte der Spiegel, nachdem die Hoffmann-Kritiker auf ganzer Linie unterlagen. Bereits im September 2008 trat der Fanvertreter im vierköpfigen Vorstand, Christian Reichert nach anhaltenden Querelen mit Hoffmann frustriert zurück. Dieses Gremium bezieht seine Assymetrie aus dem Umstand, daß bei fast allen strittigen Themen, gerade den sportlichen Bereich betreffend, eine 2:2-Pattsituation entsteht in der Hoffmann sich dann eine "fünfte Stimme" zuspricht. Auf diese Weise dominieren die Bereiche "Sponsoring und Marketing" (Hoffmann und Katja Kraus, die offensichtlich über keinerlei eigenständiges Profil im Vorstand verfügt und dies auch gar nicht anstrebt) seit Jahren in geradezu aberwitziger Weise die Bereiche "Sport und Fanbelange".

     

    Mit dem ihm gewogenen neuen Aufsichtsrat im Rücken machte sich Herr Hoffmann dann daran, seinen sportlichen Leiter Beiersdorfer nach und nach zu demontieren. So liess er ein "kritisches Gutachten" über den neuen von Beiersdorfer eingesetzten Leiter der Nachwuchs-Abteilung verfassen, ausgerechnet von seinem Intimus und Vorgänger auf diesem Posten, Stephan Hildebrandt. Eine geradezu alberne Herangehensweise, die letztlich Beiersdorfer in seiner Kompetenz angreifen sollte und die beim drögen Aufsichtsrat wohl offensichtlich Eindruck hinterliess.

     

    Zu Beginn der Amtszeit von Beiersdorfer hatte der HSV vier Nachwuchsspieler in den Auswahlteams des DFB, heute sind es 25. Trotzdem wird Hoffmann nicht müde, der Nachwuchsarbeit die Erfolge abzusprechen und sie als "Geldverbrennungsmaschine" hinzustellen. Den Stellenwert einer funktionierenden Nachwuchsarbeit für den langfristigen sportlichen Erfolg kann jeder fussballinteressierte Laie an Teams wie den Bayern oder Werder Bremen auf nationaler, Arsenal London, Manchester United, Celtic Glasgow oder dem FC Barcelona auf internationaler Ebene erkennen. Doch Herrn Hoffmann ist es offensichtlicher wichtiger, WER die Jugendarbeit macht, als WAS dabei herauskommt.

     

    Desweiteren hat sich Herr Hoffmann immer öfter und immer rücksichtsloser in das "Tagesgeschäft" Beiersdorfers eingemischt. Dies reichte von Forderungen, Mitarbeiter aus dem Verantwortungsbereich des Sportmanagers hätten ihm direkt und ohne Wissen ihres Vorgesetzten Bericht zu erstatten, bis zur Abhaltung "geheimer" Meetings, in denen etwa mit dem neuen Trainer Labbadia die Ausrichtung des Kaders und potentielle Neuverpflichtungen erörtert wurden und offenkundig auch bis zur Eigeninitiative bei der Abgabe von Transferangeboten an andere Vereine, ohne Abstimmung mit und auch schon mal gegen den erklärten Willen Beiersdorfers.

     

    Diese Zustände sind ungehörig, unprofessionell und selbst eines Kreisligaclubs unwürdig. Zu verantworten hat sie in Gänze Herr Hoffmann. Ebenso unprofessionell und ohne einen Anflug von Charakter ist auch die Haltung des Aufsichtsrates zu sehen, der Beiersdorfer "irgendwie" halten wollte, sich aber nicht in der Lage sah, das fortgesetzte Fehlverhalten Hoffmanns auch nur irgendwie kritisch zu würdigen. Mit der nun angedachten "Lösung", den zukünftigen sportlichen Leiter gleich unterhalb des Geschäftsführers anzusiedeln, der ihm jederzeit reinzureden vermag ohne im Zweifelsfall irgendwelche Verantwortung für sportliche Fehlentwicklungen übernehmen zu müssen, betritt der Hamburger SV in der Tat "personalpolitisches Neuland". Seriös klingt das allerdings nicht und man dürfte kaum jemanden mit auch nur durchschnittlicher Qualifikation finden, der als allzeit willfährige "Hoffmann-Marionette" glänzen möchte.

     

    Mit diesem Vorstand und dem unbedarften bis unfähigen Aufsichtsrat geht der HSV nicht nur sportlich schweren Zeiten entgegen.

     

     

    Aber vielleicht reicht es Einigen in diesen Gremien ja schon, als "reichster Zweitligaverein aller Zeiten" in den Geschichtsbüchern seinen Platz zu finden.

     

     

    Avanti Dilettanti

  • L
    Lars

    Wenn irgendwelche Leute rechte Parteien/Einzelpersonen unterstützen spielt das IMMER eine Rolle, mein lieber Frank

  • F
    Frank

    Was für ein mieser Artikel:

     

    "[...] im an der Alster gelegenen Restaurant "Insel" von Multimillionär und Aufsichtsrat Ian Karan, seit seiner Unterstützung für Ronald B. Schill in Hamburg umstritten."

     

    Was spielt es für eine Rolle, welchen politischen Neigungen die Herren des Aufsichtsrates nachhängen?

     

    "Sieger in dem von Bernd Hoffmann provozierten Machtkampf ist Bernd Hoffmann, der Vorstandsvorsitzende des HSV."

     

    Initiator des Machtkampfes ist nach übereinstimmenden Medienberichten Beiersdorfer.

     

    "[...] die Aufsichtsräte entschieden dennoch gegen ihn."

     

    Auch hier nach übereinstimmenden Medienberichten: Beiersdorfer wollte so nicht mehr weitermachen, der Aufsichtsrat versuchte ihn umzustimmen, konnte ihn aber nicht überzeugen.

     

    Usw. usw. usw.

     

    Die Taz versucht hier einseitig Hoffmann und den AR zu diskreditieren und in eine rechte Ecke zu stellen. Der Schuldige am Konflikt steht für die Taz schon von vornherein fest. Man könnte glatt meinen, der Artikel wäre nicht von einem professionellen Journalisten, sondern von einem Supporters Club Mitglied geschrieben worden.

  • L
    Lars

    Dann besteht ja Hoffnung, daß der HSV endlich wieder um den Abstieg kämpft, so wie sich das für diese Mannschaft gehört.

  • R
    reiner

    Kasperletheater !

    Die "hanseatischen Kaufleute"im Aufsichtsrat,früher mal eine Qualitätsbezeichnung höchster Kompetenz und situativen Fingerspitzengefühls nur noch eine "Muppets-Show".

    Quo vadis, HSV bei solcher Führung ?

    Das Selbstdarstellungskaperle bleibt

     

    der einzige Fußballfachmann, der den

    Trainer unterstützt hätte, muss gehen.

    Was für eine Farce !

  • C
    Christopher

    Diese Entscheidung pro Hoffmann und gegen Beiersdorfer ist ein Armutszeugnis für die Fachkompetenz des Aufsichtsorgans. Hier wird die Profilneurose eines Herrn vom Typ Medienschwaller und Selbstdarsteller noch unterstützt und gleichzeitig ein anerkannter Fussball-Fachmann schamlos abgesägt. Wohin steuert der HSV ?

    Inzwischen kann man verstehen, warum der holländ.Trainer halsüberkopf aus diesem Chaosladen geflüchtet ist.

    Bruno Labbadia, was hast du dir da ausgesucht.

     

    Alles Gute an Didi Beierdorfer.

    Danke für deine unermüdliche Aufbauarbeit und deinen Einsatz in Hamburg. Die Fans wissen, was du geleistet hast !

    Wir drücken dir die Daumen, dass du einen serioesen Club ohne diese Selbstdarstellungskasper findest und man dich in deinem Zuständigkeitsbereich ohne Intrigen

    arbeiten laesst.