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Frustration

■ Stolpe sieht „Gefahr wachsender Entfremdung“

Frankfurt/Main/Potsdam. Vor der „Gefahr einer wachsenden Entfremdung“ zwischen West- und Ostdeutschen hat der Ministerpräsident des Landes Brandenburg, Manfred Stolpe, gewarnt. Zwar sei die wirtschaftliche und soziale Einheit vollzogen, doch seien sich die Menschen häufig noch immer fremd, sagte Stolpe am Mittwoch in Frankfurt/Main. Nach seinen Erfahrungen mache sich mehr und mehr eine „wechselseitige Frustration“ unter den Menschen breit, da sich in 40 Jahren unterschiedlicher Prägung vieles gegenläufig entwickelt habe.

Stolpe sprach sich dafür aus, den Menschen in den östlichen Bundesländern „Hoffnung erfahrbar“ zu machen. Erste Ansätze dafür gebe es bereits, wie etwa die Schaffung neuer Arbeitsplätze und besserer Lebensbedingungen mit Autos und Telefonanschlüssen. Der Verlust des Arbeitsplatzes sei für die Betroffenen auch deshalb so schlimm, weil früher die Beschäftigung im Kollektiv auch Kommunikation und Zusammengehörigkeitsgefühl bedeutet habe. Wer jetzt seinen Arbeitsplatz verliere, habe vor allem das „Gefühl des Ausgesondertseins“. Dieses Problem müsse ernst genommen werden. Auch sei es nötig, die Menschen „zum Lernen zu locken“ und sie dazu zu motivieren, ihre „Abwarte- und Anpassungsmentalität“, die in einer Diktatur zum Überleben fast notwendig gewesen sei, abzulegen. Das gelte nicht nur für den wirtschaftlichen Bereich, wo der Mut zur Selbständigkeit gefördert werden müsse, sondern vor allem auch im politischen Leben, wo viele noch lernen müßten, politische Entscheidungen mitzutragen. Es sei viel leichter, einfach nur gegen etwas zu sein, statt aktiv gemeinsam mitzugestalten.

Den „Härtetest“ für Ostdeutschland erwartet Stolpe jedoch erst für die zweite Hälfte dieses Jahres. Es sei zu erwarten, daß dann rund eine Million Menschen tatsächlich ohne Arbeit seien und die Betroffenen entweder in den Vorruhestand oder in andere Beschäftigungsgesellschaften übernommen werden müßten. Vor dem Frühjahr 1994 ist nach Einschätzung des Ministerpräsidenten nicht damit zu rechnen, daß es in den östlichen Bundesländern „Boden unter den Füßen“ gibt. dpa

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