■ Press-Schlag: Frust-Jam
Werner Altegoers Blick war fest auf den Bildschirm im Presseraum des Dortmunder Westfalenstadions geheftet. Und wer es noch nicht gehört hatte, dem rechnete der Präsident des VfL Bochum anhand der Bundesligatabelle des Videotextes noch einmal vor, wie alles zu einem guten Ende kommen könnte. Nur Siege, und die Rettung vor dem Abstieg wäre noch zu schaffen. Nein, irgendwelche „Abers“ oder „Was ist denn, wenn es nicht klappt“, waren auch angesichts der 1:3-Niederlage in Dortmund nicht mit ihm zu diskutieren. „Über die zweite Liga rede ich nicht!“ Schluß! Aus!
War das nun ein präsidiales „Die Haltung bewahren“, oder darf einfach nicht sein, was nicht sein darf? Ein entschlossenes „Sowohl als auch“ dürfte wohl die richtige Antwort sein. Wie könnte Werner Altegoer aufgeben, wenn man der Tabelle noch Hoffnung entwringen kann? Man muß den Mann, der seine Kohle mit Kohle macht (Befeuerung von Kraftwerken) und einen Teil davon beim VfL wieder verpulvert, da einfach verstehen. Und weil, wer die Party bezahlt, auch die Musik bestimmen darf, legte Altegoer noch mal die Platte auf, die in dieser Saison beim VfL immer und immer wieder kreist. Ein trauriger Blues, in dem es um das böse Schicksal geht, das in Form von Verletzungsserien, Appetitzüglern, bösen Gegnern und schwachen Schiedsrichtern auf die Mannschaft herniedersaust. Werner Altegoer trägt ihn nicht anders vor als die Fans in der Kurve. Und ein Gedanke verbietet sich in diesem Zusammenhang natürlich, gerade weil er so erschreckend naheliegend ist: Daß nämlich die Mannschaft einfach zu schlecht für die Bundesliga ist.
Doch nicht allein der tiefe, dunkle Tabellenkeller treibt die Protagonisten in den Wahn. Auch ganz oben, wo um die Meisterschaft gerungen wird, verunklaren sich zum Saisonende die Blicke. Gerd Niebaum, Borussia Dortmunds sonst so dezenter Präsident, warf sich auf einmal mächtig ins Zeug und verteilte schon Zueignungen für den Titelgewinn. „Wir werden deutscher Meister, und Flemming Povlsen hat seinen Anteil daran gehabt“, verkündete er angesichts des Karriereendes des dänischen Publikumslieblings, der einen Antrag auf Sportinvalidität gestellt hat. Daß er aber am 17. Juni auf dem Dortmunder Friedensplatz wirklich die Meisterschale in die Luft halten darf, ist im Moment mehr als fraglich. Bestenfalls sogenannte „Arbeitssiege“ springen beim derzeit eher gequälten denn inspirierten Gekicke der Dortmunder heraus. Weshalb es auch einen BVB- Blues gibt, der auf der gleichen Taktfolge (Verletzungspech, böse Gegner, blöde Schiris) beruht wie der des VfL Bochum. Und so können sie sich nach dem 34. Spieltag wohl zusammensetzen und zur großen Frust-Jam ansetzen – der MSV Duisburg kommt wahrscheinlich auch. Christoph Biermann
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