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Frosch mit Zweistundenorgasmus

Langsam, aber gewaltig: Nach dem Silbergewinn im Triathlon will Stephan Vuckovic nun „zwei Wochen Party“ feiern

aus Sydney MATTI LIESKE

„Wo sind sie bloß? Irgendwann müssen sie doch kommen“, dachte der Kanadier Simon Whitfield ungefähr zur Hälfte des abschließenden 10-km-Laufes beim gestrigen Triathlon in spektakulärer Szenerie rund um Sydney berühmtes Opernhaus. Gemeint waren die großen Favoriten wie die Engländer Simon Lessing und Anthony Johns oder der Franzose Olivier Marceau. Ähnlich ging es dem Deutschen Stephan Vuckovic. Der dachte, das Rennen sei extrem langsam: „Schließlich war es ja ich, der vorn lief.“

Doch die großen Namen des erstmals olympischen Kurztriathlon kamen nicht mehr, und langsam war das Rennen auch nicht. Vielmehr waren Whitfield und Vuckovic extrem schnell, und dies, obwohl sich der Reutlinger nach den 1,5 km Schwimmen „total Scheiße“ gefühlt hatte und beim Radfahren über 40 km entgegen ursprünglicher Taktik „alles geben musste“, um den in der Hafenbucht eingehandelten Rückstand wettzumachen. Der Traum von der Goldmedaille zerplatzte 500 Meter vor dem Ziel. „Da sah ich, dass Simon nur vier Meter hinter mir war, und dachte, goodbye, wir sehen uns später. Im Spurt habe ich gegen ihn keine Chance.“ Der Kanadier sei aber ein guter Freund und gegen einen Freund zu verlieren nicht so schlimm.

Die Silbermedaille reichte, Vuckovic wie einen Knallfrosch die Zielgerade entlang hüpfen zu lassen und ein Lachen auf sein Gesicht zu zaubern, das auch Stunden später nicht verschwinden wollte. „Ich wollte eine Bombenrennen liefern, aber dass es so gut wird, hätte ich auch nicht gedacht“, freute sich der 28-Jährige über seinen 2. Platz in einem olympischen Rennen, das mit vielen zehntausend fröhlich gesinnten Zuschauern rund um die Strecke den Charakter eines Volksfestes hatte – beim Kurztriathlon, der sonst immer im Schatten des längeren Ironman steht, eine Seltenheit. „Das war wie ein Zweistundenorgasmus“, meinte Vuckovic.

Seine Leistungssteigerung in diesem Jahr führt der 25. der vergangenen WM im Wesentlichen auf zwei Dinge zurück: Einen neuen Schwimmstil, bei dem er praktisch ohne Beinschlag auskommt, und Thomas Springstein. Das eine schont die Beine, der andere macht Beine. Seit Oktober 1999 trainiert Vuckovic in Neubrandenburg beim Ex-Coach von Katrin Krabbe und bedauert, dass er diesen Schritt nicht schon vorher getan hat. Springstein hat den Laufstil als wichtigsten Abschnitt des Triathlon identifiziert und das Training entsprechend ausgerichtet. „Ich bin sehr, sehr viel gelaufen seit April“, erzählt Vuckovic, „ich kenne keinen Triathleten, der so viel läuft.“

Von der dopingumflorten Vergangenheit Springsteins will er nichts wissen. „Das war alles vor zehn Jahren. Er hat seine Strafe bekommen und abgesessen, damit sollte es genug sein. Ich finde es schade, dass er immer auf das eine zurückgeworfen wird.“ Für Stephan Vucckovic ist Springstein vor allem ein hervorragender Coach, mit dem er das ideale Training für den Triathlon entwickeln will. „Das gibt es nämlich noch nicht.“ Außerdem sei die Arbeit in der weiblich geprägten Springstein-Gruppe um die 400-m-Läuferin Grit Breuer auch förderlich für den Ehrgeiz. „Wenn dich sechs Mädels im Sprint abhängen, das motiviert.“

Nach dem Silbergewinn sieht Vuckovic, der seit einem Jahr sein Studium des Wirtschaftsingenieurwesens ruhen lässt und sich nur dem Sport widmet, rosige Zeiten auf sich zukommen. Er hofft auf einen größeren Stellenwert seiner Sportart und mehr Sponsoren. Nächstes Ziel ist die Weltmeisterschaft 2001: „Die will ich gewinnen, jetzt.“ Kurzfristig gibt es allerdings nur eine Perspektive für Stephan Vuckovic, der mit Freundin Anja Dittmer, beim Frauentriathlon am Samstag als 18. weniger erfolgreich, bis zum Ende der Spiele in Sydney bleiben will: „Zwei Wochen Party.“ Eine Idee, die auch Kumpel und Bezwinger Simon Whitfield gefällt: „Ich bin dabei.“

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