: Fröhlich ins Bodenlose
■ Die Hamburger Theater Mafia spielt Alfred de Mussets romantische Capricen der Marianne nächtens im Theater in der Speicherstadt
1834, gerade süße 24 Jahre auf der Welt, notierte Alfred de Musset für sich und vermeintlich stellvertretend für eine ganze Generation ein Credo, das genau genommen Anti-Credo genannt werden muß. „Die Jugend Frankreichs, gefragt: ,Woran glaubst Du?', antwortet: ,A rien – an nichts.“
Einen echten Grund hatte der Pariser Dandy für seinen Nihilismus nicht. Schön, elegant und geistreich soll er gewesen sein, und mit nur 18 Jahren war er Mitglied des Cénacle, eines romantischen Poetenkreises um Victor Hugo. Was ihm den Lebensmut genommen hat, war wohl seine verweifelte Liebe zur Dichterin George Sand.
Eine starke Frauenfigur steht auch im Mittelpunkt seines 1833 verfaßten Dramas Die Capricen der Marianne. Kaum aus dem Kloster entlassen, wird die schöne Frau mit einem reichen Spießer verheiratet. Unerfahren, aber nicht unneugierig wird sie der Männerwelt ausgeliefert. Als der schöne Oktavian, das sinnliche Gegenstück zu ihrem geldzählenden Gatten, sie umgarnt, verfällt sie ihm. Er, der eigentlich im Namen seines Freundes Celoi werben sollte, ist bald in eigener Mission tätig, was im Zusammenhang mit einem gehörnten Ehemann und enttäuschter Männerfreundschaft zu einem tödlichen Ende führt.
„Wir wollten für den Sommer mal was anderes ausprobieren“, sagt Mario Holetzek, Darsteller des Octavian und Regisseur der Capricen. Seine Bartsch-Inszenierung lief gerade im Theater im Zimmer, jetzt aber soll es größer, lauter, draller werden. Volkstheater macht er mit dem vierköpfigen Ensemble, weniger romantisch als slapstickhaft und Elemente der Commedia dell Arte integrierend.
Trotzdem sei gerade der Wechsel „vom Lustigen zum Sturz ins Bodenlose, die Gegensätze, die das Stück so spannend zu spielen machen“, sagt Christiane Pohle, Darstellerin der Marianne. Das Stück transportiere ihr Lebensgefühl: „Was will ich? Wofür lohnt es sich zu kämpfen?“„Es gibt nichts Politisches mehr, an dem man sich orientieren kann“, behauptet Holetzek, und das verbände die Jugend heute mit der von 1830.
Was ihre Theaterproduktion in der Speicherstadt betrifft, sind sie jedoch nicht ganz illusionslos: 300 Zuschauer am Abend werden erhofft. Dafür kommen sie der unpolitischen Jugend auch gern entgegen: „Die Leute wollen nach 23 Uhr Unterhaltung“, so Pohl: „Dem haben wir mit Wonne Achtung gezollt.“ Christiane Kühl
Premiere: Freitag, 18. Juli, 23 Uhr, Theater in der Speicherstadt. Infos unter Tel. 899 77 58.
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