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Frischer Wind in Polens KP

ZK-Plenum in Warschau beschließt weitgehende personelle Veränderungen / Konservative gehen, Reformer kommen / Darunter ZK-Sekretär Ciosek, der während der letzten Monate die Verhandlungen mit der Opposition geführt hatte und als ausgesprochen liberal gilt  ■  Von Klaus Bachmann

Berlin (taz) - Das Zentralkomitee der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei hat am Mittwoch weitreichende Veränderungen in seinen Reihen und im Politbüro beschlossen. Sechs Politbüromitglieder verloren ihren Posten, acht neue Mitglieder wurden in das mächtigste Parteigremium zwischen den Parteitagen gewählt. Darunter auch ZK-Sekretär Stanislaw Ciosek, der während der letzten Monate die Verhandlungen mit der Opposition geführt hatte und als ausgesprochener Liberaler gilt. Gehen müßten hingegen vor allem Vertreter des reformfeindlichen Parteiflügels, allen voran der im September abgelöste Regierungschef Zbigniew Messner. Während Ciosek und die als Reformer geltenden Wojewodschaftssekretäre Zygmunt Czarzasty und Leszek Miller, sowie der Krakauer Universitätsprofessor Marian Stepien zu neuen ZK-Sekretären gewählt wurden, verloren mit drei anderen zusammen auch Regierungschef Mieczyslaw Rakowski und drei andere ihren Posten als ZK-Sekretäre.

Zum ersten Mal kam es auf einem ZK-Plenum der letzten Jahre zu einer offen geführten Diskussion über eine erneute Legalisierung der unabhängigen Gewerkschaft Solidarnosc. Dabei erklärte der Vertreter aus Bielsko-Biala bei Kattowitz, ZK-Mitglied Julian Kraus: „Ich fürchte mich nicht vor Solidarnosc.“ Andere Teilnehmer des Plenums sprachen sich jedoch gegen eine Zulassung der verbotenen Gewerkschaft aus. Gegen Ende des Plenums erklärte Rakowski, die Partei werde ihre Haltung zu Solidarnosc „überprüfen“, die ZK -Mitglieder sollten das Thema mit den Parteikomitees vor Ort diskutieren. Falls die Partei den Standpunkt der Regierung teile, demzufolge Walesa und die Mehrheit der Solidarnosc -Funktionäre einen „versöhnlichen Standpunkt“ einnähmen, könne man im Januar nach dem zweiten Teil des Plenums mit den Gesprächen am „runden Tisch“ beginnen.

Arbeiterführer Walesa erklärte in einer ersten Stellungnahme, Rakowskis Erklärung sei von „wesentlicher Bedeutung“. Es seien allerdings „direkte Gespräche mit der Regierung notwenig, um sich über deren Absichten Klarheit zu verschaffen“. Schärfer drückte sich der Sprecher der Solidarität, Janusz Onyszkiewicz aus: Auf dem ZK-Plenum habe es „viele Worte, aber wenig Konkretes“ gegeben. „Solidarnosc wartet weiterhin auf eine eindeutige Erklärung darüber, daß das Thema Gewerkschaftspluralismus offen und Gegenstand einer Debatte und Entscheidung ist“, erklärte Onyszkiewicz in Warschau.

Der zweite Teil des ZK-Plenums soll Anfang Januar stattfinden. Bereits der erste Teil war mehrmals verschoben worden. Unmittelbar vor dem Zusammentritt des Zentralkomitees hatte es zahlreiche informelle Treffen zwischen ZK-Mitgliedern und Wojewodschaftssekretären mit General Jaruzelski gegeben.

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