Friedlicher Protest in Bilin: Der Zaun wird versetzt
Drei Jahre nach einem Urteil des Obersten Israelischen Gerichtshofes haben die Arbeiten für einen neuen Verlauf der Zauns in dem Dorf Bilin bei Ramallah im Westjordanland begonnen.
JERUSALEM taz | Mit fast dreijähriger Verspätung rücken die Bulldozer jetzt in der Nähe des palästinensischen Dorfs Bilin an, um einen neuen Zaun zu errichten. Die Bauarbeiten sind Folge eines Urteils, das der Oberste Gerichtshof bereits im Mai 2007 verhängte. Demnach soll ein 1,7 Kilometer langes Teilstück der Trennanlagen so verlegt werden, dass die Bewohner Bilins etwa ein Drittel ihres zuvor enteigneten Landes zurückbekommen.
Wer meint, dass das Dorf, das aufgrund des hartnäckig gewaltlosen Protests zum Symbol für den friedlichen Widerstand geworden ist, nun zur Ruhe kommt, wird enttäuscht werden. "Jetzt erst recht", lautet die Devise der Demonstranten. "Wir sind froh, einen Teil unseres Landes zurückzubekommen", sagte Mohammed Chatib, Mitbegründer des Volkskomitees Bilin, das die wöchentlichen Kundgebungen seit fünf Jahren organisiert. Doch solange die Besatzung andauert, soll der friedliche Widerstand fortgesetzt werden. Chatib hofft, dass die neuen Anlagen "bis Ende des Jahres fertiggestellt werden", damit der alte Zaun abgerissen werden kann.
Jenseits der Trennanlagen liegt Modein Ilit, die mit 42.000 Einwohnern größte israelische Siedlung im Westjordanland. Der Sicherheit der mehrheitlich ultraorthodoxen Bewohner von Modein Ilit sollte der Zaun nach israelischen Angaben dienen. "Hier wird mit der Hilfe Gottes ein Thora-Zentrum entstehen" steht auf einem Schild am östlichen Stadtrand. Die Siedlung wächst stetig. "Wir haben nicht einen Tag lang mit der Arbeit aufgehört", sagt ein palästinensischer Arbeiter auf einer der Baustellen in der Stadt. "In den Nachrichten sagen sie, dass es keine neuen Häuser geben wird, aber das stimmt nicht." Ende 2009 hatte Regierungschef Benjamin Netanjahu einen zehnmonatigen Baustopp in den Siedlungen verkündet.
Das Argument der Regierung, die Trennanlagen könnten aus sicherheitstechnischen Gründen nicht verlegt werden, überzeugte die drei obersten Richter nicht. Mit dem neuen Verlauf des Zauns soll, laut Urteil, der Schaden für die palästinensische Bevölkerung verringert werden. Die Richter forderten schon damals die Regierung auf, schnellstmöglich eine alternative Strecke vorzuschlagen.
Obwohl die praktische Umsetzung so lange auf sich warten ließ, machte das Modell Bilin Schule. Immer mehr Grenzdörfer üben sich in gewaltlosem Protest gegen die Trennanlagen, unterstützt von israelischen "Anarchisten gegen die Mauer" und Aktivisten aus dem Ausland. Die Armee reagiert mit Razzien und Verhaftungen. 36 Aktivisten aus Bilin wurden vorübergehend festgenommen. Der Vorwurf lautet fast immer gleich: Volkverhetzung und Aufruf zum Widerstand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW